Augenblicke in Bernstein
Weil ein böser Dämon ihre kleine Tochter getötet haben soll, verbirgt eine Mutter ihre drei überlebenden Kinder in einem alten Haus mit großem Garten, umgeben von einer hohen Mauer. Die Kinder sollen ihr früheres Leben vergessen, bekommen neue Namen und dürfen Haus und Garten nie verlassen, nur die Mutter geht arbeiten. Es ist eine magische, abgeschlossene Welt, in der sie fantastische Spiele erfinden, aus Enzyklopädien lernen, tanzen, singen - aber die Mutter verweigert Opal, Bernstein und Achat auch über sieben Jahre hinweg das Heranwachsen. Als Bernsteins linkes Auge erkrankt, behauptet die Mutter, dort habe sich ihre kleine Schwester eingenistet, und er fängt an, auf die Seitenränder der Enzyklopädien eine Art Daumenkino mit Bildern aus dem Leben der Schwester zu zeichnen, auch um die Mutter zu trösten. Doch dann kommt die Außenwelt in Gestalt eines Hausierers zu ihnen, dessen Waren sie faszinieren. Schließlich geht Opal eines Tages mit ihm fort, Achat wird bei Ausflügen nach draußen entdeckt, Bernstein und Achat werden aus ihrer Isolation "gerettet". Die Mutter begeht Selbstmord. Als alter Mann erzählt Bernstein einer Mitbewohnerin in seinem Seniorenheim von dieser Zeit, in der er in Gedanken immer noch lebt. - Freunde surrealer Geschichten werden diese poetisch erzählte märchenhafte Geschichte mögen, in der sich Wahn, Eskapismus und Poesie mischen und Kinder nicht erwachsen werden können. (Übers.: Sabine Mangold)
Gudrun Eckl
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Augenblicke in Bernstein
Yoko Ogawa
Liebeskind (2019)
316 S.
fest geb.