Mein Vater, die Dinge und der Tod
Die Uhr, der Teppichklopfer, das Weinregal - das sind Gegenstände, anhand derer sich der Autor, Essayist und Literaturkritiker, an seinen mit 89 Jahren 2015 verstorbenen Vater erinnert. Auf 180 Seiten entsteht viel mehr als eine persönliche Erinnerung an einen Vater, der in der Nachkriegszeit als Angestellter einer Baufirma ein bescheidenes, aber sicheres Leben für seine vierköpfige Familie aufbaute. Auf das Eigenheim konnte man verzichten, aber eine gute Bildung für die Kinder musste sein. Die Welt dieser Generation - so merkt man bald - hatte ihre Ordnung, Gefühle dagegen wurden vermieden. In den Details der Gegenstände, die der Sohn mit seinem Vater verbindet, wie auch durch die daran geknüpften Gewohnheiten entsteht eine Milieustudie der Kriegs- und auch der Nachkriegsgeneration. Die erinnernden Reflexionen des Autors spiegeln die Erfahrungen und Haltungen der Nachkriegsgeneration zu ihrer Elterngeneration wider. Erinnerung wird zum Beziehungsgeschehen: "Seinen Dingen nachzuspüren bringt mich näher zu ihm ..." (S. 190) bilanziert der Autor am Schluss des Buches, näher zu ihm, der mit Zärtlichkeiten sehr sparsam umging, aber doch der Familie Schutz und Halt geben konnte. - Angehörige der Nachkriegsgeneration werden in diesem Buch viel Bekanntem begegnen. Spätere Generationen können es als eine biografisch geprägte Geschichtsstunde begreifen. Als ein interessanter Einblick in das Denken und Fühlen zweier Generationen, methodisch meisterhaft dargeboten, ist das Buch breit zu empfehlen.
Lioba Speer
rezensiert für den Borromäusverein.
Mein Vater, die Dinge und der Tod
Rainer Moritz
Kunstmann (2018)
189 S. : Ill.
fest geb.