Tisch und Bett

"Vitales Dissidententum" ist Wiglaf Droste immer wieder bescheinigt worden. Der Schriftsteller, Sänger und Vorlesekünstler ist durch seine Provokationen in Vers und Politglosse bekannt geworden. 2019 ist er, gerade einmal 57-jährig, gestorben. Für Tisch und Bett einen dritten Gedichtband hat er noch Texte zusammengestellt, sie sind unter dem Titel "Tisch und Bett" erschienen. Was in der Redewendung "von Tisch und Bett getrennt" ist, wird hier in Paar- und Kreuzreimen über Liebe und Politik, Leidenschaft und Sehnsucht, Gott und die Welt zusammengeführt, immer in dem Bewusstsein, dass man Glück nicht zementieren kann, aber dem Unglück kündigen muss, um von Herzen zu sündigen. Es sind meist kurze Gedichte, die den Deutschen die Leviten lesen, etwa wenn "Super-Gau" und "Gau-Land" in Verbindung gebracht werden, die vom weiblichen "Duft in der Luft" schwärmen, beschwingt von Reiseerlebnissen in Italien oder Portugal, von Köln und Leipzig plaudern und überhaupt die "Kunst der Heiterkeit" besingen. Droste beherrscht den groben Ton und und den feinen Stil. Er benutzt die Komik als Waffe gegen alles, was engstirnig und kleinherzig ist, und lässt dabei keine Autorität ungeschoren, auch die des eigenen Ichs nicht, um das es in einem Krankenhauszyklus geht. Ringelnatz, Tucholsky und Morgenstern sind die Vorbilder dieses Wort- und Witzkünstlers, der so gerne mit Spatzen auf Kanonen schießt und die Verhältnisse, die nicht so sind, wie mancher sie gerne hätte, zugunsten einer humorvollen Weltsicht umkehrt. Sehr empfehlenswert.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Tisch und Bett

Tisch und Bett

Wiglaf Droste
Verlag Antje Kunstmann (2020)

254 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 600200
ISBN 978-3-95614-356-4
9783956143564
ca. 18,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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