Wie die Gorillas
Was bedeutet Heranwachsen? Wann weiß man, wer man später sein will? Svenja, Olga und die Ich-Erzählerin suchen, was sich nicht finden lässt: einen Lebensentwurf und Selbstentfaltung. Dabei müssen sie sich Eltern fügen und werden auf Körperlichkeiten reduziert. Sie rebellieren dagegen, indem sie mit abgebundenen Brüsten wie die Gorillas um die Häuser ziehen und Wodka im Kinderzimmer zu sich nehmen - aber nicht über den Mund, damit es keine Fahne gibt. Dennoch sind sie den Moralvorstellungen und Zwängen der Familie ausgeliefert. Die eine wird von ihren streng katholischen Eltern auf Knutschflecken gemustert, die andere muss sich heimlich im Schwimmbad rasieren. Körperformen und Normen: Der Druck, der auf den drei jungen Frauen lastet, ist enorm. Gerade die Protagonistin würde am liebsten ihren Körper zum Verschwinden bringen. An sich selbst mag sie nur die Hände. Auch in der Selbstbestimmung stecken stereotype Erwartungen an ihre Rolle als Frau. - Esther Becker erzählt in ihrem Debütroman eine Geschichte, die eine breite Identifikationsfläche für heranwachsende Mädchen bietet. Durch die gewählte Ich-Perspektive und die drastischen Beschreibungen, die teils mit kurzen lyrischen Passagen untermalt werden, gelingt es der Autorin, das Spannungsverhältnis zwischen ausgeloteter Individualität und den damit verbundenen Anstrengungen glaubhaft zu vermitteln. Indem sie keine verklärende Sicht einnimmt, beschreibt ihr Roman bis zur letzten Seite eine Lebenswirklichkeit. Sehr zu empfehlen.
Cornelia Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Wie die Gorillas
Esther Becker
Verbrecher Verlag (2021)
157 Seiten
fest geb.