Die kleinen roten Stühle

Er nennt sich Dr. Vladimir Dragan, kurz Vuk ("Wolf") aus Montenegro. Dieser Vuk mit seinem grauen Bart, dem selbstsicheren Auftreten, seinem Charisma und betörenden Blick ist für die Damenwelt in Cloonoila, einem Dorf an der irischen Westküste aufregend. Die kleinen roten Stühle Fidelma, die nicht mehr ganz junge Ehefrau des viel älteren Jack, die sich in all den Ehejahren vergeblich ein Kind wünschte, initiiert die fatale Liaison und wird auch tatsächlich schwanger. Vuk, ein gesuchter Kriegsverbrecher aus dem ehemaligen Jugoslawien, wird plötzlich aufgespürt, verhaftet und nach Den Haag überstellt. Jetzt treten üble, dunkle Gestalten auf, die sich von ihrem einstigen Anführer hintergangen, im Stich gelassen fühlen. Ihren Zorn lassen sie nun an der schwangeren Fidelma aus. Diese kommt dabei fast ums Leben. Nach ihrer Genesung reist sie nach Den Haag und erlebt Vuk vor Gericht, wie er sämtliche Beschuldigungen als unwahr abtut. Fidelma kehrt desillusioniert wieder nach Irland zurück. - Der Kriegsverbrecher ist unschwer als Radovan Karadzic auszumachen, der 2017 zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die Grand Dame der irischen Literatur war bei Gerichtsverhandlungen in Den Haag dabei und wurde durch das Verhalten des Serbo-Kroaten zu diesem Roman motiviert. Die Sprache ist gefällig, immer wieder auch regelrecht poetisch. Aber sie schont die Leserschaft nicht. Die Grausamkeiten des Krieges, auch die Folter an Fidelma, sind verstörend. Es ist eine berührende, verstörende und auf alle Fälle sehr beeindruckende Geschichte; hoffentlich interessiert es viele Leser. (Übers.: Kathrin Razum u. Nikolaus Stingl)

Erwin Wieser

Erwin Wieser

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die kleinen roten Stühle

Die kleinen roten Stühle

Edna O'Brien
Steidl (2017)

336 S.
fest geb.

MedienNr.: 592056
ISBN 978-3-95829-369-4
9783958293694
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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