Das kostbarste aller Güter

Kann man die schrecklichen Abgründe des Holocaust literarisch verarbeiten? Jean-Claude Grumberg, einer der bekanntesten zeitgenössischen Schriftsteller Frankreichs, zeigt in seinem neuesten Werk eindrücklich, dass dies möglich ist. Er erzählt Das kostbarste aller Güter von der Unmenschlichkeit in ihrer grausamsten Form, indem er ihr die Menschlichkeit in ihrer ursprünglichen, wahrhaftigen Art gegenüberstellt. Wie ein Märchen beginnt die Geschichte von einem armen Holzfäller und seiner Frau. Die Zeichen der Zeit - es sind die letzten Jahre des Zweiten Weltkriegs - machen sich auch in der Abgeschiedenheit ihres Lebensraums bemerkbar: Entbehrungen, Hungersnot, Besatzung und Zwangsarbeit bestimmen ihr karges Dasein. Auf einer durch ihren Wald gelegten Bahnstrecke fahren regelmäßig Güterzüge mit Massentransporten in Vernichtungslager. Eines Tages wird der Holzfällerfrau aus der Luke eines Güterwaggons ein Bündel zugeworfen. Das "kleine Gut" darin ist ein Säugling, ein winziges Mädchen, dessen Leben der verzweifelte Vater versucht, mit dem Wurf zu retten. Für die von Hunger und Armut gezeichnete Frau wird das Überleben des ihr anvertrauten Kindes zur Lebensaufgabe. Mit viel Liebe und Hingabe beschützt sie die Kleine vor den Widrigkeiten der Welt, vor allem aber vor der Feindseligkeit ihres Ehemannes. Die Beziehung des Holzfällers zu dem Kind entwickelt sich von anfänglicher Ablehnung und Vorurteilen über Skepsis bis hin zu einer von Beschützerinstinkt und Verantwortungsbewusstsein geprägten tiefen Zuneigung. Parallel zum Geschehen im Wald läuft die Geschichte des Vaters und der restlichen Familie, ihr Transport zum Vernichtungslager und die monströse Todesindustrie, der sie dort schutzlos ausgeliefert sind. Doch selbst an diesem Ort des unfassbaren Schreckens und der unerträglichen Gräuel ist ein Hoffnungsschimmer möglich, der Kraft zum Überleben verleihen kann. "Das kostbarste aller Güter" ist ein poetisches, berührendes und beeindruckendes Buch, das seine Leser/-innen vom ersten Satz an in seinen Bann zieht und auch nach der letzten Seite nicht loslässt. Für Jugendliche und Erwachsene gleichermaßen sehr zu empfehlen.

Gertrud Plennert

Gertrud Plennert

rezensiert für den Borromäusverein.

Das kostbarste aller Güter

Das kostbarste aller Güter

Jean-Claude Grumberg ; Bilder von Ulrike Möltgen ; aus dem Französischen von Edmund Jacoby
Verlagshaus Jacoby & Stuart (2020)

135 Seiten : zahlreiche Illustrationen
fest geb.

MedienNr.: 601740
ISBN 978-3-96428-073-2
9783964280732
ca. 16,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: J
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