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Filmtipp

Die Mittagsfrau

Schmerzhaft intensive Figuren

Der Kontrast zwischen der Freiheit in der Weimarer Republik und der autoritären Tumbheit der Nazi-Zeit wirkt mitunter klischeehaft. Doch es gelingt Albert meisterlich, die weiblichen Figuren schmerzhaft intensiv zu zeichnen, allen voran Helene, die sich trotz der vielen Kompromisse nicht unterkriegen lässt und Entscheidungen trifft, die in ihrer Zeit, als „unweiblich“ gebrandmarkt, wenig Zuspruch fanden.

„Was bist du bloß für eine Mutter?“, sagt Wilhelm einmal zu ihr, während er sich selbst nicht einmal finanziell an der Erziehung des gemeinsamen Kindes beteiligen möchte. Nicht zuletzt dank der grandiosen schauspielerischen Leistung von Mala Emde gelingt das Psychogramm einer an ihrer Entwicklung gehinderten Frau, die in den Mühlen des 20. Jahrhunderts in den Augen anderer „kaltherzig“ geworden ist, aber eigentlich nur nicht bereit war, den Traum von einem selbstbestimmten Leben aufzugeben.

Helene verteidigt diese Sehnsucht gegen alle Widerstände, weil alles andere den Verlust ihrer eigenen Identität bedeuten würde. Deshalb opfert sie sich als Mutter bis zu dem Moment auf, als sich ihr unverhofft doch noch die Möglichkeit des Entkommens bietet. Das Grauen von Familie, deutscher Geschichte und völkischer Gesinnung, Wahn und kollektivem Opfertod träufelt Barbara Albert dem Frauenporträt leise ein, bis das Gift wirkt und sich Helenes Bewusstsein langsam trübt. Sie muss ihre letzten Kräfte mobilisieren, um sich an ihr junges Ich zu erinnern.

Ein zweiter, magischer Blick

Die „Mittagsfrau“ kippt dabei nie in ein bleischweres Melodram, sondern entwirft eine Leidensgeschichte, in der jede Wendung die Beweggründe der Protagonistin umso schärfer hervortreten lässt. Die Inszenierung verzichtet auf Experimente oder allzu dominante Gestaltungselemente; über lange Strecken verweilt sie in engen, dunklen Räumen. Die Musik setzt nur sparsame Akzente. Albert hat es nicht eilig, erzählt klar und ohne Schnörkel und schafft es doch, die Lust, die Qual und die Anspannung in Helenes Leben in all ihren Schattierungen abzubilden.

Das ist sehenswert, zumal sie sich auch immer wieder von den Härten der Zeit entfernt und mit einem zweiten, magischen Auge auf diese Existenz schaut, als würde eine träumerisch inszenierte, übermalte Wirklichkeit die Garantie fürs Überleben bieten. Es sind Momente zum Innehalten, von der Kamera in warmen Sonnenlichttönen festgehalten, etwa auf einem sommerlich schimmernden Weizenfeld, wo die Figuren alle Last ablegen und sich gemeinsam an einem Neustart versuchen können. Oder wo sie ihre eigenen Wege als Außenseiter gehen müssen.

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Rezension

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