Stadt ohne Gott
Rainer Merkel war in Liberia, im Kosovo und in Afghanistan, er hat als "embedded journalist" Essays und epische Texte über seine Reiseerfahrungen geschrieben. Und nun ein Roman über Beirut, die Hauptstadt in einem Bürgerkriegsland im Nahen Osten, eingebettet in eine ménage à trois. Es geht um die Deutsche Rosie, den angehenden libanesischen Modemacher Rafik, der schiitischen Glaubens ist, den syrischen Christen Daoud und den Soldaten Thierry, dessen Tagebuch Rosie liest. Die sich anbahnenden, durchkreuzten und neu verhandelten Liebesbeziehungen im Roman spielen sich vor der Kulisse des Bürgerkriegs ab. Ein Scharfschütze verwundet junge Menschen, die in Untergrundkrankenhäusern behandelt werden müssen, die Männer fahnden nach dem Nutzen der Schuld, Rosie fragt nach dem Religiösen in der Natur, sucht nach der Liebe in einer Stadt ohne Gott - und verschwindet dann auf einmal in den Ruinen von Baalbek. Der Roman wird getragen durch Dialoge und Reflexionen, die Handlung tritt dagegen zurück. Eindringliche Botschaft einer Jugend, die ohne Gott auszukommen sucht. Empfehlenswert für alle Bestände.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Stadt ohne Gott
Rainer Merkel
Fischer (2018)
345 S.
fest geb.