Böhmen ist der Ozean
Nymphen und Wassermänner bevölkern die Geschichten der österreichischen Autorin mit tschechischen Wurzeln. Ihre neun Erzählungen scheinen auf den ersten Blick märchenhaft. Doch nähert sich Krcmárová ernsten Themen wie Sprachlosigkeit, Heimatverlust und Böhmens wechselvoller Geschichte. Das Wasser verbindet den Text: Rinnsale, Bäche, Flüsse und Ozeane schlängeln sich durch die Seiten. Sie machen vor Grenzen nicht Halt und führen von der Quelle bis zur Mündung, an Orte, die durch den Eisernen Vorhang nicht zu erreichen waren. Weibliche Erzählstimmen, ein Kind, eine Handleserin, eine Fremdenführerin, eine Dissidentin führen vom Prager Frühling, die kommunistische Herrschaft und die Samtrevolution bis in die Gegenwart. Man sieht dem Buch an, dass die Autorin sich mit Buchkunst beschäftigt. Das Cover zeigt unterschiedliche Blautöne von vielen Linien durchzogen, eine angedeutete Meerjungfrau. Wer den Umschlag abnimmt, kann den Linien mit dem Finger folgen, ein optischer und haptischer Genuss! Die poetische Sprache fasziniert und erschwert das Verständnis der Erzählungen. Für die Fantasie des Lesers bleibt auf diese Weise viel Raum. Für literarisch und historisch interessierte Leser/innen.
Susanne Emschermann
rezensiert für den Borromäusverein.
Böhmen ist der Ozean
Rhea Krcmárová
Kremayr & Scheriau (2018)
208 S.
fest geb.