Ich schreibe Ihnen im Dunkeln
Pauline Dubuisson ist sechzehn, als sie von Männern der Résistance kahl geschoren und brutal vergewaltigt wird, weil sie unter deutscher Besatzung mit einem deutschen Militärarzt liiert war. Mit 21 Jahren kommt sie ins Gefängnis, nachdem sie ihren Verlobten Félix im Affekt erschossen hat, der nicht mit einer Kollaborateurin zusammenleben konnte. Als sie aus dem Gefängnis entlassen wird, sieht sie im Kino ihre Geschichte, verfilmt mit Brigitte Bardot. Daran zerbricht sie. Sie geht nach Marokko in die Anonymität. Soweit die biografischen Fakten, die der Drehbuchautor und Schriftsteller Jean-Luc Seigle als Ausgangspunkt nimmt, um darüber hinaus zu erzählen, auch "das Verborgene ihrer Kindheit und ihrer Träume" hervorzuholen. Er lässt sie eine Lebensbeichte schreiben, die verhindern soll, dass es ihr mit ihrer zweiten großen Liebe Jean genauso ergeht wie mit Félix, sobald er erfährt, wer sie war. Die intelligente Frau berichtet von ihrer nahen Beziehung zu ihrem Vater, von ihrem Wunsch, Ärztin zu werden, von ihren drei Brüdern, von denen zwei im Krieg umkommen, und vom eher distanzierten Verhältnis zu ihrer Mutter, die sie als Einzige in Marokko besucht. Ungeschminkt und detailliert schildert sie, wie sie die öffentliche Demütigung und die Schur ihrer Haare erlebte und die wenig später erfolgte Vergewaltigung durch mehrere Männer. Und sie erzählt von einer französischen Gesellschaft, die sie immer wieder auf ihr Anfangsverbrechen reduziert. - Gerne allen Büchereien empfohlen. (Übers.: Andrea Spingler)
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Ich schreibe Ihnen im Dunkeln
Jean-Luc Seigle
Beck (2017)
205 S.
fest geb.