Der Engel mit der Posaune

Henriette Stein, die 20-jährige Tochter einer honorigen jüdischen Familie, ist 1888 die Geliebte des unglücklichen österreichischen Kaisersohnes Rudolf, der mit ihr Selbstmord begehen will. Henriette weigert sich und heiratet den angesehenen Sohn des Wiener Klavierfabrikanten Stein. Am Hochzeitstag nimmt sich der Thronfolger mit der jungen Mary Vetsera das Leben. Henriette macht sich Vorwürfe, dass sie nicht bei Rudolf geblieben ist, vielleicht hätte sie ihn von der Verzweiflungstat abbringen können. Ihre Ehe mit Franz Stein ist nicht unbedingt glücklich. Zu ihren Kindern hat sie bis auf den erstgeborenen Hans ein eher distanziertes Verhältnis. Die politischen Verhältnisse interessieren sie kaum, das ändert sich erst, als ihre Söhne 1914 in den Krieg ziehen müssen. Hans sieht sie erst nach vier Jahren wieder, geprägt von den Kriegsgräueln und der langen Gefangenschaft. Sein Bruder Herrmann hingegen, ein Kriegsheld, macht sich bald gemein mit Umstürzlern und schließt sich der Nazibewegung an. Nach dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland ist der Jüdin Henriette nicht klar, in welcher Gefahr sie schwebt. - Um die Jahrhundertwende erlebt die Patrizierfamilie Alt den Untergang der österreichisch-ungarischen Monarchie und die Umstürze bis 1938. In dem Haus der verzweigten Familie Alt, dessen Fassade ein Posaunenengel ziert, spielen sich Familienleben, Dramen, Eifersüchteleien und Komplotte ab, wie sie sich im ganzen Land zutragen. Der jüdische Autor (1890-1974) hat den Roman im Exil in den USA geschrieben; er erschien dort 1944. Es ist eine sehr eindringliche, berührende Geschichte mit eindrucksvollen Protagonisten. Der aus heutiger Sicht etwas antiquierte Stil passt gut zu den Schilderungen. Ein wunderbares Buch, das uneingeschränkt empfohlen wird.