Großes Spiel
Der Icherzähler, Geheimpolizist Amakasu, hat den Auftrag, die zunehmend öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten des Systemkritikers und Aufrührers Ôsugi minutiös zu bewachen und ihn mit seiner Frau Itô auszuschalten. Er füllt diese Aufgabe mit dem Selbstverständnis eines Samuraikämpfer besonders überzeugt aus, weil der amtierende Kaiser Yoshihito durch eine Erkrankung seinen Aufgaben nicht nachkommen kann und das Staatssystem geschwächt ist. Aus der Erzählperspektive des 20. August 1945, wenige Tage nach dem Abwurf der Atombomben auf Japan, muss die Staatspolizei seit dem Amtsantritt Yoshihitos 1913 die göttliche Monarchie gegen alle Freiheitsbewegungen verteidigen. Übertritte zum Christentum gelten gleichbedeutend der Forderung nach allgemeinen Freiheitsrechten. Als beim großen Erdbeben 1923 die öffentliche Ordnung aus den Fugen gerät, nutzt Amakasu das Durcheinander und lässt die Ermordung von Ôsugi und Itô zu. - Eine packende Romanhandlung der aufgabenbedingten Rivalitäten dreier Männer entsprechend der historischen Fakten mit philosophischen Bezügen und asiatischen Komponenten des Feminismus. Umweltkatastrophen, Kriege und politische Disruptionen bieten nachdrücklich den Gegenwartsbezug. Leider ist das (lieblos gestaltete) Onlineglossar nicht Bestandteil des Buches. - Empfehlenswert insbesondere für Interessierte an Zeitgeschichte und Genderfragen.
Rolf Pitsch
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Großes Spiel
Hans Platzgumer
Paul Zsolnay Verlag (2023)
332 Seiten
fest geb.