Mehr als wir sind
Der Erzähler lebt in einer fernen Zukunft und erforscht Handschriften aus unserer Zeit. Dabei findet er einen interessanten Schulaufsatz eines gewissen Janush Coppki und steigt in dessen Lebensgeschichte ein. Da fast nichts von seiner Figur erhalten ist, versucht er dessen Leben mit Hilfe einer Gruppe von Lebenslaufdeutern als großes Gedankenexperiment in Rollenspielen zu simulieren: Janush Coppki, geboren 1979, studiert Chemie und macht sich auf die Suche nach den Formeln für ein vollendetes irdisches Leben. Bei seinen Experimenten entdeckt Coppki eine Wachdroge. Die neue Wunderdroge erfährt natürlich allgemeine große Aufmerksamkeit und erregt die Neugier der Wissenschaftler. Man will die chemische Zusammensetzung von "7-24" wissen, bricht moralische Diskussionen über eine Welt ohne Schlaf vom Zaun und reklamiert die Unverzichtbarkeit des Schlafes, denn ohne Schlaf gäbe es auch keine Träume mehr. - In seinem ersten Roman wirft Jürgen Neffe, promovierter Biochemiker und Wissenschaftsjournalist, einen analytischen Blick auf die Welt und philosophiert ausschweifend über den Wert des Schlafs, Binnenbefindlichkeiten und die innere Stimme des Menschen. Der Autor versteht es dabei glänzend, suggestive Beziehungsbilder zu schaffen, fordert aber mit seiner sehr komplexen Erzähltechnik die volle Konzentration des Lesers. Die eigenwillige Mischung experimenteller und traditioneller Erzählmomente ist für Leser von literarischen Romanen der Gegenwart sehr empfehlenswert.
Günther Freund
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Mehr als wir sind
Jürgen Neffe
C. Bertelsmann (2014)
412 S.
fest geb.