Nachmittage

Nachdem Ferdinand von Schirach bereits in "Kaffee und Zigaretten" (BP/mp 19/436) Einblick in Autofiktionales gegeben hat, setzt er nun seine Art der Selbstvergewisserung, die für ein breites Publikum gedacht ist, fort. Sechsundzwanzig Erzählungen, Nachmittage teilweise Kürzestgeschichten, bilden den Band und erzählen von Begegnungen im Alltäglichen, im Besonderen oder Skurrilen oder teilen einfach einen Gedanken mit. Nicht selten will eine Geschichte Reminiszenz an einen großen Autor sein, und so werden Thomas Mann, Hemingway oder Sergej Jessenin zitiert oder literarisch reflektiert. Oft ist das Setting großbourgeois und lässt den Autor dem wirklich Alltäglichen entrückt erscheinen. Die Muse für das Schreiben in einer 150-Zimmer-Villa in Venetien, laufend Gespräche in der Lobby von Edelhotels oder der Gang durch Marrakesch muten überheblich an, da sie selbstverständlich und nicht stilistisch gesetzt sind. Ungeachtet dessen blitzen immer wieder Motive und Geschichten auf, die in ihrer Struktur und Aussagekraft stark sind. Diese verarbeiten Themen wie Schuld, verlorene Liebe und die Frage nach Glück. Das sind jedoch die Perlen in einer Sammlung von Selbstbespiegelungen, die unter anderem Namen wohl weniger Ruhm ernten dürften.

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Nachmittage

Nachmittage

Ferdinand von Schirach
Luchterhand (2022)

175 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 751169
ISBN 978-3-630-87723-5
9783630877235
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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