Der Zyklop
Das kleine Dorf der Insekten erbebt, als plötzlich ein Zyklop bei ihnen auftaucht. Da er so vieles kaputttrampelt, schließen sie daraus, dass er mit seinem Auge nicht gut sieht und er eine Brille braucht. Gesagt, getan! Doch auch mit der Brille geht sein Zerstörungswerk weiter ... Die kleinen Dorfbewohner haben alles gegeben, um dem Fremden zu helfen und statt Dank ernten sie Spott und ein Desaster. Doch ohne Ärger und Rachsucht nehmen sie ihr Schicksal an, bedauern den Undankbaren und machen sich erneut an den Aufbau ihres Dorfes. Eine seltsame Wendung, die man als Dummheit interpretieren kann, oder aber als weisen Gleichmut und als Resilienz. Der Text hält sich mit einer Deutung zwar zurück, doch geht aus den Dialogen der Figuren und ihren humorvollen Porträts hervor, welche Kraft in ihrer Haltung steckt. Bemerkenswert ist auch die bildliche Inszenierung der Geschichte. Die Illustrierung ähnelt Holzschnitten. Die Schwarz-Weiß-Kontraste lassen sich in der Kleinteiligkeit des Abgebildeten nicht leicht entziffern und nähern den Prozess der Betrachtung der Sehschwäche des Zyklopen an. Es ist viel Aufmerksamkeit nötig, um die Details zu lesen, doch werden sich die Betrachter durch den liebevollen Humor der Szenerien belohnt fühlen. So werden die Bilder und die "Moral" der Geschichte Anlass zu tiefgründigen Unterhaltungen über die Interpretation dieser Fabel bieten.
Dominique Moldehn
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Zyklop
Daan Remmerts de Vries ; Illustrationen: Floor Rider ; aus dem Niederländischen von Rolf Erdorf
Gerstenberg (2020)
[56] Seiten : farbig
fest geb.
Borromäus-Altersempfehlung: ab 6