Der letzte Zeitungsleser
Ein Medium verschwindet. In kaum einem Briefkasten steckt morgens noch eine Tageszeitung. Michael Angele hält sich aber nicht mit einem Klagelied auf die gute, alte Zeit auf, er belegt seine nachdenkliche Analyse auch nicht mit Statistiken und Verlaufskurven, er hält aber unserer Gesellschaft einen Spiegel vor, denn die in vielen bürgerlichen Gesellschaftskreisen verbreitete Zeitungslektüre am Morgen war nicht nur eine "Nachrichtendarreichungsform", sondern eine Lebensform, ein Ritual, bei dem sogar die Reihenfolge des Lesens der Teile einer Zeitung wichtig und immer gleich war, sodass das Buch bis zur Behauptung geht, manche Ehe wäre ganz anders verlaufen ohne Zeitung ... Angeles liebenswertes und hochintelligentes Büchlein und sein ansprechendes Design in Kolumnen, die sich lesen lassen wie Zeitungsbeiträge, ist zwar noch kein "Nachruf", aber ein liebenswertes "Monument" für eine einzigartige Kulturleistung: die Tageszeitung. Eine besondere Note bekommt sein Buch durch die vielen treffenden Zitate und Beispiele, auch durch die Schilderung der Welt vieler Literaten und ihrer Cafés, in denen sie verkehrten, einfach um Zeitung zu lesen. Diese Zeit und ihre Lebensumstände sollten nicht unerwähnt untergehen. Ein hübsches Bändchen für nachdenkliche Leser/innen.
Armin Jetter
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der letzte Zeitungsleser
Michael Angele
Galiani Berlin (2016)
153 S.
fest geb.