Vom Winde verweht - 1

Es ist ein Kultur-Phänomen der Superlative: der 1936 erschienene Roman "Vom Winde verweht" avancierte zum größten Bestseller der USA und auch der drei Jahre später entstandene 4-stündige Kinofilm gehört zu den erfolgreichsten Filmen aller Zeiten. Die Geschichte um die junge attraktive Scarlett O'Hara, die mit allen Mitteln die Baumwollplantage ihrer Familie durch den Bürgerkrieg und die schwierige Nachkriegszeit zu retten versucht, bedient bis heute das Narrativ des resistenten und pragmatischen Amerikas. Es ist eine große tragische Liebesgeschichte, eine Kriegserzählung und nicht zuletzt eine (nostalgische) Darstellung der Sklaverei. Heutige Leser:innen des Romans (der 2020 neu ins Deutsche übersetzt wurde) und jüngere Zuschauer:innen des Films erhalten mit diesem Stoff ein ganzes Bündel an aktuellen Themen: Geschlechterfragen, Emanzipation, Rassismus und Populismus gehören zu den Aspekten, die hier diskutiert werden können. Vor allem der Kinofilm kann als gesellschaftspolitisches und kulturelles Dokument gelesen werden, der durch seine Bildmächtigkeit der Figuren und Szenen als "kulturelles Erbe" verstanden werden kann. Zu fragen ist, ob dieser Stoff eine neue Fassung braucht und ob ihm eine aktualisierte Interpretation angediehen wurde. Dies kann hier nur bedingt bejaht werden: das Medium der Graphic Novel wird sicherlich eher jüngere Leser:innen ansprechen, denen dieses Buch als historisches "Rüstzeug" dienen kann. Doch kaum eine der Bilderreihen verfügt über die Prägnanz und "Durchschlagskraft" der Filmsequenzen. Auch werden weder die Handlungen der Figuren noch die sozialen Rollenverteilungen problematisiert. Verglichen mit dem Film haben wir es hier mit einem etwas blassen, fast skizzenhaften Remake zu tun, das allerdings das Potential hat, den Blick auf das Original zu richten. Gute Unterhaltung ist bei der Lektüre allemal garantiert.