Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz

Der Büchnerpreisträger Wilhelm Genazino (1943-2018) ist ein Spezialist für humorvolle Problemkomplikationen und melancholische Liebesangstfluchten. Jetzt gibt es wieder etwas zu lesen: ein 1989 erstmals erschienenes, nun wiederaufgelegtes Buch: Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz "Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz" gehört in die Reihe seiner Lebensleidensbücher, in denen der Autor seine Helden, die ihm vielfach ähneln, auf eine Reise schickt. Der Protagonist W und seine Freundin Gesa verlassen Frankfurt und fahren nach Wien, Kierling, Paris und Amsterdam, um den Zusammenhang von Freien Künsten und gesellschaftlicher Diskriminierung zu studieren. Wir begleiten sie in die Wohnung des verstoßenen Mozarts und in das ehemalige niederösterreichische Sanatorium, wo Kafka 1924 ohne Worte starb, zu dem Bild "Die Wanne" (1886) von Degas am Rande im Musée d'Orsay und in das Amsterdamer Versteck von Max Beckmann. Diese Kunst-Orte stoßen mit der Selbst- und Fremdwahrnehmung des Paares zusammen, die sich auf kleine und unvollkommene Dinge richtet wie einen Sahnefleck auf dem Sakko oder offene Schnürsenkel. Das wird mit sympathisch ironischem Gestus erzählt. Genazino gelingt es damit, mitleidlos, aber einfühlend zu erzählen, zu schauen, ohne etwas herauszufinden. Gegen Ratlosigkeit, so lässt er den Ich-Erzähler am Ende sagen, hilft nicht Verrücktheit, sondern nur Selbstbegnadigung. Hochanregend, sehr empfehlenswert.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz

Der Fleck, die Jacke, die Zimmer, der Schmerz

Wilhelm Genazino
dtv (2023)

221 Seiten
kt.

MedienNr.: 615055
ISBN 978-3-423-14871-9
9783423148719
ca. 12,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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