Außer uns spricht niemand über uns
Wilhelm Genazino ist vielleicht der schlimmste Scherzbold der deutschen Gegenwartsliteratur. Kein neues Buch ohne den grimmigen Humor über das vergebliche Streben nach Bedeutsamkeit, das seine Helden straucheln, aber nicht umkippen lässt. So ein komfortabel leidender Typ ist der Erzähler des soeben erschienenen Romans, der gerne nach dem Frühstück noch ein Nickerchen macht, von "schaurigen Blondinen in der Innenstadt" sein seelsorgerisches Temperament wecken lässt und ansonsten lustlos als Ansager von Modenschauen sein Geld verdient. Vergangenen Schauspielerzeiten sinnt er ohne Verbitterung hinterher. Seine Freundin Carola findet er gut im Bett, aber schlecht im Leben: eine ziemlich lausige Einstellung, die er noch schlimmer dadurch macht, als er, nach Trennung und Carolas Selbstmord, mit deren Mutter anbändelt. Mit bösem Witz durchleuchtet Genazino die Krämerseele des Bürgers, der von seinem Unglück weiß, aber es sich tüchtig mit dem Glück verscherzt. Empfehlenswert.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Außer uns spricht niemand über uns
Wilhelm Genazino
Hanser (2016)
154 S.
fest geb.