Die militante Madonna
Der Chevalier d'Eon de Beaumont (1728-1810) war Gesandter und Spion für Ludwig XV. In Petersburg und in London trat er sowohl als Mann wie auch als Frau auf. Er war eine schillernde, blitzgescheite Person, die das raffinierte Spiel mit Identitäten liebte. Irene Dische lässt ihren Helden selbst aus seinem bewegten Leben erzählen, ganz im Stil des 18. Jh., also ein bisschen gespreizt und mit spitzen Kommentaren. Der Roman dreht sich um d'Eons Zeit in London, als dort Wetten auf sein wahres Geschlecht zum Gesellschaftsspiel wurden. Er pflegt eine Freundschaft mit dem Schriftsteller und Abenteurer Pierre de Beaumarchais (1732-1799) und dem windigen Pamphletisten Morande. Kein Unternehmen ist zu aberwitzig, keine Finanzspekulation zu gewagt, das Trio dreht die Geschäfte immer wieder. Hinter d'Eons glanzvoller und draufgängerischer Fassade steckt jedoch in Wahrheit eine zarte, sensible Seele. - Der vordergründig historische Roman lässt sich auch als Beitrag zur aktuellen Identitätsdebatte lesen. D'Eon hält die Gegenwart für wenig subtil und für von Äußerlichkeiten geprägt. Ein kluger Roman, der viel Spaß macht beim Lesen.
Marion Sedelmayer
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die militante Madonna
Irene Dische ; aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach
Hoffmann und Campe (2021)
219 Seiten
fest geb.