Internat

Zeithistorischer Hintergrund des Romans ist der bereits seit Jahren anhaltende kriegerische Konflikt in der Ost-Ukraine zwischen ukrainischen und russischen Truppen. Ein junger Lehrer für Ukrainisch will seinen Neffen aus einem Internat zurück nach Hause holen. Kein sonderlich aufregender Plot, aber der Protagonist Pascha muss für diese Aufgabe durch ein im Wortsinn vermintes Gelände fahren. Der politisch eher desinteressierte Lehrer weiß scheinbar gar nicht, auf was für ein Abenteuer er sich mit dieser Abholaktion eingelassen hat. Es wird eine Reise durch eine Kriegszone, bei der man nicht weiß, wo genau die jeweiligen Fronten verlaufen und um was da überhaupt letztlich gekämpft wird. Eine in jeder Hinsicht gottverlassene Landschaft wird hier geschildert, in der nur noch militärische Checkpoints eine gewisse Orientierung vermitteln. Ansonsten nichts als zerbombte Häuser, herrenlose Hunde, herumvagabundierende Soldaten, die nur die Sprache der Gewehre kennen. Der Tod und die Angst vor Gewalt sind allgegenwärtig. Auf diese 'Endzeitstimmung' an den Grenzen seiner ukrainischen Heimat war der gebildete, aber gegenüber der aktuellen Tagespolitik so unglaublich naive Lehrer Pascha nicht vorbereitet. Letztlich schafft er es aber, seinen Neffen aus dem Internat zu holen. Seine 'Mission' hat er erfüllt, aber die Erfahrung dieser dreitägigen Höllenfahrt hat ihn vollkommen desillusioniert und sprachlos gemacht. Dem Autor - wie auch den Übersetzern (Jan Durkot und Sabine Stöhr) - gelingt es meisterhaft, diese Sprachlosigkeit in eine literarische Sprache zu übersetzen und wurden dafür mit dem Preis der Leipziger Buchmesse 2018 belohnt. Den ukrainisch-russischen Grenzkonflikt versteht der Leser durch diesen Roman auch nicht besser, aber man erhält eine Ahnung von der Verrohung der Menschen durch diesen Krieg.