Religiöses Buch des Monats

April

ICONS

Ikonen sind in der religiösen Welt Bilder von Christus oder Heiligen, die ein Fenster in die geistliche Welt öffnen. Im säkularen Sprachgebrauch sind eher Helden oder Idole gemeint, wie z. B. der Bayern-Fußballer Thomas Müller. In „ICONS“ ICONS fließen diese beiden Bedeutungen ineinander. Das Buch enthält Geschichten von zwölf ikonischen Persönlichkeiten aus dem ersten Testament der Bibel und verbindet sie mit Texten junger Christ*innen, die sich in den sozialen Netzwerken mit dem Glauben auseinandersetzen. Die biblischen Persönlichkeiten und die Menschen von heute verbinden Themen wie Chaos und Ordnung, soziale Gerechtigkeit, Glaube und Zweifel, Körper und Gefühle. Lukas Springer (auf Instagram @glaube_liebe_pizza unterwegs) macht sich zur Gestalt des Noah Gedanken über Chaos und Ordnung, Mara Klein (@kle.mara, bekannt vom Synodalen Weg) schreibt unter der Überschrift „Ordnungslos“ über Menschen, die nicht in die Vorstellungen der katholischen Kirche passen, über Frauen, die geweiht werden wollen, und über queere Menschen. „Das Paradox der ‚Ungeordneten‘: Wir kommen nicht vor, aber wir sind da … Die kirchliche Schöpfungsordnung kennt uns nicht, aber G*tt hat uns geschaffen.“ Mit Jakob (Gen 25, der mit dem Traum von der Himmels¬leiter) verbinden die Autor*innen starke Gefühle. Der Text über Jakob setzt beim Kampf am Jabbok ein, der als Folge eines großen Wutausbruchs beschrieben wird. Evelyne Baumberger (@evelyne_baum) befragt daran anschließend ihre Gefühle und kommt zu dem Schluss, dass „Gott auch durch Gefühle spricht und uns so Impulse gibt, die uns weiterbringen … [Gefühle] … machen uns erst zu ganzen, handlungsfähigen Menschen.“ Tamar verbinden die Autor*innen mit Intimität. Wie bei allen anderen biblischen Gestalten wird sie durch einen eindrucksvollen szenischen Text und eine kurze religionswissenschaftliche Einordnung eingeführt. Oliver Dedio (@dynamiskaidoxa) schreibt daran anknüpfend über Intimität aus Sicht eines behinderten Menschen, dessen Intimsphäre oft nicht respektiert wird. „Intimität ist für mich als behinderten Menschen ein Drahtseilakt. Er bedeutet tagtäglich Selbstakzeptanz in einer Gesellschaft, in der ich strukturell benachteiligt werde – aufgrund einer Tatsache, die ich nicht ändern kann, die mich prägt.“ Richtig zur Geltung kommen die Texte erst durch die ansprechende grafische Gestaltung, die innehalten lässt und Raum schafft für eigene Gedanken, und durch die Illustrationen von Liv Matthiesen, die die biblischen Gestalten sehr lebendig vor Augen treten lässt und dabei gängige Muster aufbricht. „ICONS“ bietet eine intensive Lektüre für junge und jung gebliebene Leute zu Themen, die nicht unbedingt in der Predigt oder der religiösen Literatur vorkommen (sollten sie aber). Sicher ein gutes Geschenk zur Firmung oder zur Konfirmation, auch zur Eheschließung, aber vor allem ein Buch, dessen Texte einen einfangen und zum Nachdenken anregen. (Religiöses Buch des Monats April)

Christoph Holzapfel

Christoph Holzapfel

rezensiert für den Borromäusverein.

ICONS

ICONS

Herausgeber*innen: Jan Kuhn, Lisa Quarch ; Illustrationen: Liv Matthiesen
Herder (2025)

303 Seiten : Illustrationen (farbig)
fest geb.

MedienNr.: 622076
ISBN 978-3-451-71777-2
9783451717772
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats


März

In Gottes Hand

Bei schweren Erkrankungen, zumal am Lebensende – sei es das eigene oder auch das von engen Angehörigen – gerät jeder Mensch in existenzielle Grenzsituationen. Für den christlichen Glauben werden solche Leid- und Ohnmachtserfahrungen zur Bewährungsprobe. In Gottes Hand Dass der Glaube auch in diesen schweren Zeiten trägt und Trost und Hoffnung spendet, ist die Überzeugung des Theologen und Biologen Ulrich Lüke, der nach einer Karriere als Hochschullehrer inzwischen seit acht Jahren als Krankenhausseelsorger tätig ist. Sein Buch „In Gottes Hand“ will diese „Erfahrungen eines Krankenhauspfarrers“ darum weitergeben, denn die im Krankenhaus in schwersten Situationen, in Leiden und Tod bewährte Erfahrung, dass unser Leben bei Gott aufgehoben ist, lässt nicht nur Trost schöpfen für eigene schwere Zeiten. Vielmehr verwandelt der Glaube an einen Sinn des Lebens und Leidens und die Hoffnung auf die Auferstehung nach dem Tod bereits das alltägliche Leben, noch ehe es in Grenzsituationen gerät. In neun Kapiteln schildert der Krankenhauspfarrer seine teils immer wiederkehrenden, teils ganz einzigartigen Erfahrungen, die er selbst nicht selten als zugleich erschütternd wie wunderbar und trostreich empfindet. Etwa die Geburt von Zwillingen, von denen einer – schwerbehindert – unmittelbar nach der Geburt stirbt. Im Gespräch mit den tiefgläubigen Eltern gelangt der Seelsorger zu der Überzeugung: Gott verwehrt hier nicht einem Zwilling den Zugang zum Leben, vielmehr ermöglicht er dem einen Kind den Zugang zu diesem befristeten Leben in Raum und Zeit und dem anderen Kind, das dieser Welt physisch nicht gewachsen ist, eröffnet er in fürsorgender Güte unmittelbar den Zugang zum unbefristeten Leben im Licht seiner Ewigkeit. Nicht immer geht es in der Krankenhausseelsorge jedoch um derartig extreme Erfahrungen, oft auch um ganz prinzipielle menschliche Fragen und Probleme, die jedoch im Krankenhaus eine gewisse Zuspitzung erfahren: Plötzlich ist, wenn auch ungewollt, Zeit da, sich mit jenen Fragen zu beschäftigen, die sonst meist vom Alltag überlagert, jetzt aber unausweichlich werden. Im Krankenhaus stellen sich viele Fragen zudem stärker unter der Perspektive der aktuellen Erfahrung von Bedürftigkeit und Endlichkeit und im Hinblick auf den Sinn des Ganzen menschlicher Existenz. Der Autor versammelt in seinem Buch sehr vielfältige Texte, beginnt bei Überlegungen zu den liturgischen Grundvollzügen (Gebet, Eucharistie, Beichte, Krankensalbung) als einer Art „Handwerkszeug des Glaubens“ zur Bewältigung von Krankheit und Leid. Immer wieder stellen sich im Krankenhaus natürlich auch ethische Fragen, v.a. zum Lebensschutz am Lebensbeginn und am Lebensende. Es gibt Texte zu den Schwierigkeiten mancher Patienten mit der konkreten Kirche oder zu neuen Formen der Spiritualität, die vielfach gesucht werden, z.B. in einem starken Engelglauben. Es gibt ein Kapitel zu der heilenden Wirkung von Beziehungen – zu Gott und den Menschen. Ein zentraler Abschnitt widmet sich dem Sterben im Krankenhaus und dem Auferstehungsglauben der Christen. Schließlich gibt es auch noch einige Gedanken zu Erfahrungen von Zeit und zum Verhältnis von Zeit und Ewigkeit. Die meisten Texte sind einzeln entstanden, so knüpfen sie nicht unmittelbar aneinander an, sondern sind nach Sinnzusammenhängen zusammengefasst und gegliedert. Aber so ist das Buch auch sehr gut abschnittsweise zu lesen. Allen Texten gemeinsam ist jedoch: Sie sind ganz aus der Erfahrungsperspektive geschrieben, keine rein theoretischen Erwägungen. Und zwischen die Texte sind immer wieder Gebetsimpulse eingestreut, welche die Erfahrungen vor Gott und dabei „die Hoffnung auf den lebendigen und den – aller Krankheit und allem Leid zum Trotz – Leben schaffenden Gott“ zum Ausdruck bringen. So ist das Buch eine Ermutigung für alle, die selbst ernster krank sind oder in irgendeiner Weise mit Kranken und Sterbenden zu tun haben, aber auch für jene, die sich vor dem einen wie dem anderen fürchten.

Thomas Steinherr

Thomas Steinherr

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

In Gottes Hand

In Gottes Hand

Ulrich Lüke
Herder (2025)

237 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 754387
ISBN 978-3-451-39621-2
9783451396212
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats


Februar

Gott in Rom begegnen

Rom lässt Georg Schwikart nicht mehr los. Den evangelischen Pfarrer und geborenen Katholiken (das ist für dieses Buch nicht ganz unwichtig) zieht es immer wieder in diese Stadt. Und selbst, wenn er der Stadt im Laufe eines Besuchs überdrüssig wird Gott in Rom begegnen – zu viele Menschen, zu viel Lärm, zu viel Dreck, zu viel Schönheit – kann er doch fast schon beglückt sagen: „Der nächste Flug nach Rom ist schon gebucht.“ Warum das so ist, erfährt, wer Schwikart auf seinen Streifzügen durch Rom begleitet. Dabei steuert er zwar römische Sehenswürdigkeiten an, doch die spielen hier nicht die Hauptrolle. Wichtiger sind die Beobachtungen und Begegnungen, die sich unterwegs ergeben. Zum Beispiel die Sache mit der Monstranz. Nach einer Messe in Il Gesù, der Hauptkirche der Jesuiten in Rom, wird das Allerheiligste in einer Monstranz zur Anbetung ausgesetzt. „Ich trage den Leib des Herrn in meinem Leib“, sinniert Schwikart vor dem Allerheiligsten. „Ich selbst bin zu einer lebendigen Monstranz geworden, aus Fleisch und Blut. Was zeige ich der Welt? Dass mich das göttliche Geheimnis erfüllt?“ Das Pantheon, die antike Kirche im Herzen Roms, die aus einer einzigen weiten Kuppel besteht und oben nicht geschlossen ist, sieht er als Sinnbild für die Ungreifbarkeit Gottes. Dort sei das Wichtigste das, was nicht da ist. „Kein Kunstwerk. Keine Worte. Durch die Jahrtausende dient es als Sinnbild dafür, dass das Entscheidende nicht gezeigt oder gesagt werden kann.“ Das Besondere an Schwikarts Perspektive auf Rom ist sein Blick auf die Stadt als geborener Katholik, der nach heftigem Streit mit dem Kölner Erzbischof zum Protestantismus konvertierte. Er hat das Katholische nicht einfach abgeschüttelt (wenn das überhaupt geht), sondern um den Protestantismus erweitert und schreibt in wohltuend ökumenischem Geist. Früher oder später landet der Autor auf einen Espresso oder Cappuccino in einer Bar oder in einem der vielen römischen Gasthäuser. Essen ist für ihn nicht nur eine Notwendigkeit, sondern gehört zum Erlebnis Rom unbedingt dazu. Es dient auch der Entschleunigung, um die vielen Eindrücke aus der Stadt zu verarbeiten – und setzt der römischen Hektik etwas entgegen, die zur DNA dieser Stadt gehört. Mit seinen Streifzügen vermittelt Schwikart, dass Rom nur kennenlernt, wer auch die Stadt und das Leben zwischen den Sehenswürdigkeiten wahrnimmt, sich auf einen Espresso an eine Piazza setzt und den Leuten zuguckt, die vorbeiströmen. Möglichst viele Sehenswürdigkeiten in möglichst kurzer Zeit mitzunehmen, bedeutet dagegen, Rom zu verpassen. Als Reiseführer zu den Sehenswürdigkeiten Roms ist das Buch deshalb gänzlich ungeeignet, als geistlicher Begleiter für eine Besuch in der Ewigen Stadt, gerade im Heiligen Jahr 2025, gehört es aber unbedingt in die Hand einer*es jeden Reisenden.

Christoph Holzapfel

Christoph Holzapfel

rezensiert für den Borromäusverein.

Gott in Rom begegnen

Gott in Rom begegnen

Georg Schwikart
echter (2024)

167 Seiten : Illustrationen
kt.

MedienNr.: 621489
ISBN 978-3-429-06736-6
9783429067366
ca. 19,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats


Januar 2025

Brannte nicht unser Herz?

Der moderne Mensch tut sich oft schwer mit Traditionen, Riten und Symbolen, eine katholische Messfeier erscheint deshalb selbst manchen Katholiken inzwischen weit entfernt von ihrer eigenen Lebenswirklichkeit. Marco Benini, Professor für Liturgiewissenschaft Brannte nicht unser Herz? in Trier, möchte mit seinem Buch „Brannte nicht unser Herz?“ den Gottesdienstbesuchern Verständnishilfen anbieten, durch die sie wieder hineinfinden können in eine bewusstere und damit aktivere Teilnahme an der Eucharistiefeier. Benini vergleicht die Messe mit der Emmauserzählung des Evangelisten Lukas: In der Messe begegnen wir wie Kleopas und „der andere Jünger“ dem Herrn und im Brotbrechen gehen uns die Augen auf. Es geht deswegen darum, wie die Emmausjünger auf Jesu Wort zu hören (Wortgottesdienst), ihn einzuladen ‚Bleib bei uns!‘ und so „die rechte Haltung für die Eucharistiefeier“ einzunehmen, unser Leben einzubringen mit allem, was wir an Sorgen, Fürbitte und Dank in uns tragen. Ihn in der Kommunion zu empfangen und uns durch seinen Geist verwandeln zu lassen, von der Kommunion zur communio, der Gemeinschaft untereinander zu finden – uns einander zuzuwenden, wenn wir wie die Emmausjünger Jesus „nicht mehr sehen“, und mit brennendem Herzen in unseren Alltag zurückzukehren, von ihm gesendet, und voller Zuversicht auf die kommende Erlösung. Schritt für Schritt werden vor diesem Hintergrundverständnis die einzelnen Teile der Messfeier dargestellt und erklärt, ausgehend vom Beginn des Gottesdienstes – der Versammlung der Gemeinde. Der Bußakt mit Schuldbekenntnis, der heute vielen Menschen eher etwas suspekt ist, wird als eine Art „Faktencheck“ gedeutet, der den Menschen gerade nicht auf seine Schuld fixieren will, sondern Gottes barmherzige Vergebung zusagt. Nach dem Wortgottesdienst mit seinen verschiedenen Schriftlesungen wird das Hochgebet (in seinen vier Ausprägungen) bis in einzelne Formulierungen hinein erklärt und der Sinn ausgedeutet, auch im Rückgriff auf die Eucharistieerklärungen der Tradition in Antike und Mittelalter sowie in seinen Parallelen zum Vaterunser. Auch alle Riten und Gebete der sich anschließenden Kommunionfeier werden bis in jedes Detail ausgeleuchtet. Und nicht zuletzt auf die Sendung in die Welt verwiesen, mit der jede Messe endet, um das ganze Leben eucharistisch zu leben, dankbar für Gottes bleibende Gegenwart. Zu den hilfreichen theologischen Klärungen (Wer oder was bewirkt die Wandlung? Ab wann sind Brot und Wein zu Leib und Blut Christi geworden? Ist die Messe nun Mahl oder Opfer?) kommen auch interessante historische Einblicke, z.B. lernt man, dass gemäß der ältesten Beschreibung der Messe von Justin dem Märtyrer (um 150) die Messe damals der heutigen bereits verblüffend ähnlich war. Dazu gibt es auch einige praktische Anregungen zur Messgestaltung, etwa durch besondere Hervorhebung des Amens zum Abschluss des Hochgebets. Man erfährt, wie viele biblische Bezugnahmen in den Gottesdienst eingebaut sind, begreift den Aufbau der Messfeier in ihrem großen Zusammenhang und versteht viele Symbole und Gebete in einer wesentlich größeren Tiefe – und damit auch den vollen Sinn und die Bedeutung der Eucharistiefeier: die Vergegenwärtigung der österlichen Hingabe Christi und der pfingstlichen Geistsendung. Sie wird zum Vorbild und Modell des ganzen Lebens, das eucharistisch geprägt sein soll. Immer wieder wird gerade dieser Punkt betont, dass die Teilnahme an der Messfeier keine bloß private Frömmigkeitsform darstellt, sondern zur Zuwendung zu den anderen Menschen auffordert und dafür stärkt; und nicht zuletzt auch die Schöpfung als Gottes Gabe immer wieder in Erinnerung ruft. So wird man ermutigt und zugleich befähigt, Gottesdienste bewusster und mit größerer aktiver Teilnahme mitzufeiern – und dadurch gestärkt und verwandelt den Alltag in christlicher Weise zu gestalten. (Religiöses Buch des Monats Januar)

Thomas Steinherr

Thomas Steinherr

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Brannte nicht unser Herz?

Brannte nicht unser Herz?

Marco Benini
Verlag Herder (2024)

144 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 754241
ISBN 978-3-451-41043-7
9783451410437
ca. 18,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats