Religiöses Buch des Monats

Juli

Minima theologica

In den letzten Jahren ist in der Theologie eine Debatte darüber entstanden, ob den Menschen, die heute bewusst auf Religion verzichten, überhaupt etwas abgeht oder ob sie nicht trotz dieses Verzichts (oder vielleicht sogar gerade durch diesen Verzicht?) Minima theologica ein sie selbst ganz zufriedenstellendes Leben führen. Der Theologe Jan-Heiner Tück möchte mit seinem Buch „Minima theologica“ darauf hinweisen, dass diejenigen, die meinen, ohne Verlust auf Religion verzichten zu können, doch immerhin auch in ihrem Leben bestimmte grundlegende menschliche Erfahrungen machen, „Intensitätsmomente, die durchlässig sind auf das Andere“, das religiöse Menschen dann eben als „das Heilige“ bezeichnen würden. Solche tiefgreifenden Erlebnisse können sein: „Unverhofftes Glück, für das man danken möchte, Unterbrechungen in der wohltemperierten Existenz, die aufhorchen lassen und nachdenklich stimmen, … Einbrüche von Ohnmacht und Verzweiflung, die nach einer rettenden und erlösenden Macht fragen lassen“. Und da derartige Erlebnisse seit Menschengedenken nicht nur in der Religion, sondern auch im Bereich der Kunst thematisiert werden, lassen sich bei eher religionsfremden modernen Menschen vielleicht leichter an dieser Stelle, in den Werken bildender Kunst, von Literatur und Musik Anknüpfungspunkte finden, über das Aufleuchten des Heiligen in unserer Welt nachzudenken. Jan-Heiner Tück, Dogmatikprofessor in Wien, nähert sich in seinem Buch in eben dieser Art und Weise im Nachdenken über bestimmte Kunstwerke, über moderne Literatur und Musik den „Spuren des Heiligen heute“ an – man hätte sich diesen Untertitel eher als den eigentlichen Titel des Buches gewünscht, da der Buchtitel „Minima theologica“ zunächst einmal ganz im Unklaren lässt, was man von diesem Buch inhaltlich erwarten darf. Die in diesem Titel enthaltene Anspielung auf Theodor W. Adornos Werk „Minima moralia“ verweist vielmehr auf den eher bescheidenen Anspruch des Werkes einerseits und die gewählte Form von kurzen, eigenständigen Beiträgen in einem eher essayistischen, z.T. sogar aphoristischen Stil andererseits. Niemand sollte sich also durch den lateinischen Buchtitel abschrecken lassen, das Buch ist gut lesbar und bestens auch als Lesebuch zu verwenden, in dem man nach Belieben einzelne (wiederum in viele kleine Abschnitte unterteilte) Kapitel und diese auch in beliebiger Reihenfolge lesen kann. In insgesamt 40 Kapiteln spürt Tück so dem „Heiligen heute“ nach, in der Wahrnehmung von Kunstwerken, angefangen bei den fantastischen Gemälden von Hieronymus Bosch über die Melancholie der Infanten-Bilder von Diego Velázquez bis zu einer Lichtraum-Installation von James Turrell, in den möglichen Deutungen von moderner Literatur – von Martin Walser über Judith Hermann, Thomas Hürlimann und Maja Haderlap bis Seamus Heaney – und in den „überirdischen“ Klängen der Musik von Anton Bruckner oder Olivier Messiaen. Zwischendurch werden aber auch immer wieder ungewöhnliche Erfahrungen betrachtet, mitgehörte Gespräche im Zug etwa, mitgeteilte Erlebnisse, die über Zufall oder Vorsehung nachdenken lassen, oder manche Strömungen der Gegenwartstheologie hinterfragt (Handelt Gott in der Geschichte?). Den Abschluss des Buches machen Überlegungen des Autors zum Brief von Papst Franziskus über die Bedeutung der Literatur – eine sehr schöne Würdigung einer (bisher zu wenig beachteten) der vielen Überraschungen des vor kurzem zu Ende gegangenen Pontifikats, die alleine schon alle gern Lesenden freudig zu diesem Buch greifen lassen dürfte! (Religiöses Buch des Monats Juli)

Minima theologica

Minima theologica

Jan-Heiner Tück
Herder (2025)

216 Seiten : Illustrationen
fest geb.

MedienNr.: 622965
ISBN 978-3-451-02427-6
9783451024276
ca. 18,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats


Juni

Im Gotteshaus der Poesie

Wer nach einer Sprache sucht, um von Gott zu reden, sollte sich unbedingt auch in der Dichtung umschauen. Dazu braucht es allerdings Geduld, denn der Zugang zu einem Gedicht findet sich möglicherweise nicht so schnell wie der zu einem Roman. „Poesie Im Gotteshaus der Poesie ist kein Fastfood-Essen“, schreibt die Theologin und Dichterin Lisa F. Oesterheld, „sondern will gekaut und geschmeckt werden wie Schwarzbrot … Auch wenn ein Gedicht kurz ist, entschlüsselt es sich nur schrittweise. Es birgt ein Geheimnis, das sich zeigt, wenn die Zeit dafür reif ist.“ Ihren Gedichten und Gebeten – die den Hauptteil dieses schmalen Bandes ausmachen – stellt sie eine kurze, hilfreiche Einführung voran. Worte sind für sie Türöffner, die innere Räume eröffnen. Sie werden so zu „Augen- und Herzöffnern“, die innehalten und genau hinsehen lassen. „Poesie lehrt uns zu sehen, zu hören, zu tasten und zu schmecken.“ Zugleich zeichnet sich die Poesie durch Offenheit aus, respektiert den Zweifel, schafft Möglichkeiten. Dadurch entstehe eine eigene Form der Gottesrede, „weiter gespannt … als Behauptungen und Glaubenssätze“, wie Oesterheld schreibt. „ich legte dich fest / mit bild und begriff / nichts von dir / du bist.“ Eine weitere wichtige Wirkung von Poesie ist Trost. „Ein Wort kann zum Fenster werden, wenn der Seelenraum verdunkelt ist.“ Es ergeben sich überraschende Ausblicke, ohne Leid und Ungerechtigkeit schönzufärben. Poesie schreibe „vom Boden der Hoffnung“ aus, so Oesterheld. Manchmal gelinge es ihr, das Schwere in Worte zu fassen – und „einen Millimeter“ darüber hinauszugehen. „Unter einer Eiche im Friedwald / betten wir deine Asche in einem Gefäß, / wie wir als Kinder im Garten den Schatz vergruben.“ Oesterhelds Gedichte und Gebete, mit denen sie das im Titel angesprochene lichtdurchflutete Gotteshaus der Poesie baut, verdichten Alltagserfahrungen und erkunden deren spirituelle Bedeutung: „Drei Atemzüge / als der PC hochfährt – / mein Schreibtischgebet“. Es geht um das Zögern vor der Lektüre der Tageszeitung, um Trauer und Hoffnung, um Stille, Glück und Schmerz. Die Lektüre der Gedichte entschleunigt, erzeugt Stille während der Lektüre, aus der eigene Gedanken aufsteigen können. Oesterhelds Sprache ist einfach, klar und darin sehr schön und verwendet Bilder, die Spuren hinterlassen, z.B. wenn sie das Leben knurren lässt wie einen alten Hund und es eine Zeile später als „wunderbare Komposition“ bezeichnet, „die keiner sich ausdenken kann / und gottlob geschieht.“ Auf diese Weise fasst sie die Spannung, in der Menschen leben, in wenige Worte auf zwei Zeilen zusammen. Oesterheld behauptet Gott nicht, sie sucht, erfragt, ersehnt ihn (oder sie!), manchmal ist er anwesend. Ihre Texte sind Nahrung für Kopf und Herz und laden ein, sich an das Geheimnis des Lebens heranzutasten. (Religiöses Buch des Monats Juni)

Christoph Holzapfel

Christoph Holzapfel

rezensiert für den Borromäusverein.

Im Gotteshaus der Poesie

Im Gotteshaus der Poesie

Lisa F. Oesterheld
echter (2025)

Franziskanische Akzente ; Band 42
119 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 621671
ISBN 978-3-429-06760-1
9783429067601
ca. 9,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats


Mai

Kult

"Christentum ist Kult!" Wer würde solch einer Aussage heute noch zustimmen, in einer Zeit, da Kirchen, Konfessionen und religiöser Glaube in der Gesellschaft rapide an Bedeutung und Ansehen verlieren? Natürlich ist der Münchner Erzbischof kein Kult Realitätsverweigerer, vielmehr benutzt er bewusst die Doppeldeutigkeit des Begriffes "Kult", um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Gerade in einer Zeit des scheinbar unvermeidlichen Niedergangs der christlichen Kirchen in Deutschland möchte Kardinal Marx dennoch an der grundsätzlichen Zuversicht festhalten, dass das Christentum auch in einer quantitativ reduzierten und vielleicht veränderten Gestalt seine große Bedeutung für unsere Gesellschaft, ja die ganze Welt bewahren kann, weil es in seinem Wesenskern nicht nur eine bestimmte Weltanschauung, eine besondere Ethik oder eine einzigartige mystische Erfahrung ist, sondern eben: Kult. Der Begriff "Kult" steht in der Religionsgeschichte für die Versuche des Menschen, zu Gott in Beziehung zu treten. Das Christentum geht davon aus, dass in Jesus Christus Gott selbst Mensch geworden ist, die Begegnung mit Jesus ist also das alles Entscheidende. Diese Begegnung mit Jesus war aber nicht nur für Jesu Zeitgenossen möglich, sie ist nach seinem Sterben und seiner Auferstehung für alle Menschen möglich – in der Feier der Eucharistie, in der die Hingabe Jesu am Kreuz nicht nur erinnert, sondern gegenwärtig wird. "Das bezeichne ich im engeren Sinn mit dem Wort Kult: ein Mahl, in dem das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu von Nazareth … gefeiert und damit in die jeweilige Mitte und Gegenwart hineingeholt und gegenwärtig wird." Die Feier des Gottesdienstes, insbesondere der Eucharistie, ist für das Christentum darum der eigentliche Wesenskern. Aber ist das nicht Weltflucht und Rückzug in die Innerlichkeit, die Bedeutung der Gottesdienstfeier so hervorzuheben? Im Gegenteil! "Von Anfang an durchbricht diese Gemeinschaft Grenzen von Kultur, Sprache, Herkunft, Geschlecht. Die Begegnung mit dem geheimnisvollen Gott … hat Auswirkungen auf das Miteinander der Menschen und auf die konkrete Praxis ihres Lebens." Die Eucharistiefeier schafft eine neue Gemeinschaft der Menschen untereinander – und sie ist zugleich immer auch Sendung in die Welt, um die frohe Botschaft zu allen Menschen zu bringen. Und was der Kult in dieser Weise für die Menschen leistet, den Alltag zu unterbrechen und ihm eine völlig andere Perspektive einer befreienden Erlösung entgegenzusetzen, die für alle Menschen gilt, vermag nichts und niemand anderes zu leisten. Die Überlegungen von Kardinal Marx zum Kult als der Mitte des Christentums sind alles andere als eine binnentheologische Selbstberuhigung und schon gar nicht weltfremdes Wunschdenken, vielmehr gerade im selbstkritischen Ringen um den richtigen Weg der Kirche in die Zukunft angesichts der enormen Austrittszahlen und in der Auseinandersetzung mit soziologischen und religionsphilosophischen Positionen unserer Zeit, wie sie etwa Hartmut Rosa oder Jürgen Habermas vertreten, entstanden. Dahinter steht die tiefe Überzeugung, dass die Religion der Gesellschaft Wesentliches zu geben hat – nicht nur die Hinwendung zur Transzendenz, sondern auch eine Horizonterweiterung im Hinblick auf die Gemeinschaft der Menschen untereinander. Dieses Wissen um die Unverzichtbarkeit der Religion führt nun aber keineswegs zu Überheblichkeit – zu gut weiß der Münchner Kardinal um die Schwächen der Kirche, wie sie gerade der Missbrauchsskandal zu Tage treten ließ -, vielmehr zu einem realistischen Bewusstsein des eigenen Wertes, weil dieser eben gerade nicht von der Kirche selbst produziert, sondern von Gott geschenkt wird – aber nicht allein der Kirche, sondern durch diese allen Menschen. Gerade um ihren Auftrag für die Welt zu erfüllen, muss sich die Kirche darum wieder stärker auf ihren Wesenskern besinnen. Dazu kann dieses Buch mit seiner überzeugenden zentralen Aussage und vielen weiterführenden Anregungen einen wertvollen Beitrag leisten.

Kult

Kult

Reinhard Marx
Kösel (2025)

171 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 621649
ISBN 978-3-466-37339-0
9783466373390
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats


April

ICONS

Ikonen sind in der religiösen Welt Bilder von Christus oder Heiligen, die ein Fenster in die geistliche Welt öffnen. Im säkularen Sprachgebrauch sind eher Helden oder Idole gemeint, wie z. B. der Bayern-Fußballer Thomas Müller. In „ICONS“ ICONS fließen diese beiden Bedeutungen ineinander. Das Buch enthält Geschichten von zwölf ikonischen Persönlichkeiten aus dem ersten Testament der Bibel und verbindet sie mit Texten junger Christ*innen, die sich in den sozialen Netzwerken mit dem Glauben auseinandersetzen. Die biblischen Persönlichkeiten und die Menschen von heute verbinden Themen wie Chaos und Ordnung, soziale Gerechtigkeit, Glaube und Zweifel, Körper und Gefühle. Lukas Springer (auf Instagram @glaube_liebe_pizza unterwegs) macht sich zur Gestalt des Noah Gedanken über Chaos und Ordnung, Mara Klein (@kle.mara, bekannt vom Synodalen Weg) schreibt unter der Überschrift „Ordnungslos“ über Menschen, die nicht in die Vorstellungen der katholischen Kirche passen, über Frauen, die geweiht werden wollen, und über queere Menschen. „Das Paradox der ‚Ungeordneten‘: Wir kommen nicht vor, aber wir sind da … Die kirchliche Schöpfungsordnung kennt uns nicht, aber G*tt hat uns geschaffen.“ Mit Jakob (Gen 25, der mit dem Traum von der Himmelsleiter) verbinden die Autor*innen starke Gefühle. Der Text über Jakob setzt beim Kampf am Jabbok ein, der als Folge eines großen Wutausbruchs beschrieben wird. Evelyne Baumberger (@evelyne_baum) befragt daran anschließend ihre Gefühle und kommt zu dem Schluss, dass „Gott auch durch Gefühle spricht und uns so Impulse gibt, die uns weiterbringen … [Gefühle] … machen uns erst zu ganzen, handlungsfähigen Menschen.“ Tamar verbinden die Autor*innen mit Intimität. Wie bei allen anderen biblischen Gestalten wird sie durch einen eindrucksvollen szenischen Text und eine kurze religionswissenschaftliche Einordnung eingeführt. Oliver Dedio (@dynamiskaidoxa) schreibt daran anknüpfend über Intimität aus Sicht eines behinderten Menschen, dessen Intimsphäre oft nicht respektiert wird. „Intimität ist für mich als behinderten Menschen ein Drahtseilakt. Er bedeutet tagtäglich Selbstakzeptanz in einer Gesellschaft, in der ich strukturell benachteiligt werde – aufgrund einer Tatsache, die ich nicht ändern kann, die mich prägt.“ Richtig zur Geltung kommen die Texte erst durch die ansprechende grafische Gestaltung, die innehalten lässt und Raum schafft für eigene Gedanken, und durch die Illustrationen von Liv Matthiesen, die die biblischen Gestalten sehr lebendig vor Augen treten lässt und dabei gängige Muster aufbricht. „ICONS“ bietet eine intensive Lektüre für junge und jung gebliebene Leute zu Themen, die nicht unbedingt in der Predigt oder der religiösen Literatur vorkommen (sollten sie aber). Sicher ein gutes Geschenk zur Firmung oder zur Konfirmation, auch zur Eheschließung, aber vor allem ein Buch, dessen Texte einen einfangen und zum Nachdenken anregen. (Religiöses Buch des Monats April)

Christoph Holzapfel

Christoph Holzapfel

rezensiert für den Borromäusverein.

ICONS

ICONS

Herausgeber*innen: Jan Kuhn, Lisa Quarch ; Illustrationen: Liv Matthiesen
Herder (2025)

303 Seiten : Illustrationen (farbig)
fest geb.

MedienNr.: 622076
ISBN 978-3-451-71777-2
9783451717772
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats


März

In Gottes Hand

Bei schweren Erkrankungen, zumal am Lebensende – auch dem von engen Angehörigen – gerät jeder Mensch in existenzielle Grenzsituationen. Für den christlichen Glauben werden solche Leid- und Ohnmachtserfahrungen zur Bewährungsprobe. Dass der In Gottes Hand Glaube auch in diesen schweren Zeiten Trost und Hoffnung spendet, ist die Überzeugung des Theologen und Biologen Ulrich Lüke, der inzwischen seit acht Jahren als Krankenhausseelsorger tätig ist. Sein Buch will diese "Erfahrungen eines Krankenhauspfarrers" darum weitergeben, denn die im Krankenhaus in schwersten Situationen, in Leiden und Tod bewährte Erfahrung, dass unser Leben bei Gott aufgehoben ist, lässt nicht nur Trost schöpfen für eigene schwere Zeiten. Vielmehr verwandelt der Glaube an einen Sinn des Lebens und Leidens und die Hoffnung auf die Auferstehung nach dem Tod bereits das alltägliche Leben. In neun Kapiteln schildert der Krankenhauspfarrer seine teils immer wiederkehrenden, teils ganz einzigartigen Erfahrungen, die er selbst nicht selten als zugleich erschütternd wie trostreich empfindet. Der Autor versammelt sehr vielfältige Texte, beginnt bei Überlegungen zu den liturgischen Grundvollzügen (Gebet, Eucharistie, Beichte, Krankensalbung) als einer Art "Handwerkszeug des Glaubens" zur Bewältigung von Krankheit und Leid. Immer wieder stellen sich im Krankenhaus auch ethische Fragen, v.a. zum Lebensschutz am Lebensbeginn und am Lebensende. Ein zentraler Abschnitt widmet sich dem Sterben im Krankenhaus und dem Auferstehungsglauben der Christen. Die meisten Texte sind einzeln entstanden, so ist das Buch auch sehr gut abschnittsweise zu lesen. Alle Texte sind jedenfalls ganz aus der Erfahrungsperspektive geschrieben, keine rein theoretischen Erwägungen. Und zwischen die Texte sind immer wieder Gebetsimpulse eingestreut. So ist das Buch eine Ermutigung für alle, die selbst krank sind oder in irgendeiner Weise mit Kranken und Sterbenden zu tun haben, aber auch für jene, die sich vor dem einen wie dem anderen fürchten.

In Gottes Hand

In Gottes Hand

Ulrich Lüke
Herder (2025)

237 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 754387
ISBN 978-3-451-39621-2
9783451396212
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats


Februar

Gott in Rom begegnen

Rom lässt Georg Schwikart nicht mehr los. Den evangelischen Pfarrer und geborenen Katholiken (das ist für dieses Buch nicht ganz unwichtig) zieht es immer wieder in diese Stadt. Und selbst, wenn er der Stadt im Laufe eines Besuchs überdrüssig wird Gott in Rom begegnen – zu viele Menschen, zu viel Lärm, zu viel Dreck, zu viel Schönheit – kann er doch fast schon beglückt sagen: „Der nächste Flug nach Rom ist schon gebucht.“ Warum das so ist, erfährt, wer Schwikart auf seinen Streifzügen durch Rom begleitet. Dabei steuert er zwar römische Sehenswürdigkeiten an, doch die spielen hier nicht die Hauptrolle. Wichtiger sind die Beobachtungen und Begegnungen, die sich unterwegs ergeben. Zum Beispiel die Sache mit der Monstranz. Nach einer Messe in Il Gesù, der Hauptkirche der Jesuiten in Rom, wird das Allerheiligste in einer Monstranz zur Anbetung ausgesetzt. „Ich trage den Leib des Herrn in meinem Leib“, sinniert Schwikart vor dem Allerheiligsten. „Ich selbst bin zu einer lebendigen Monstranz geworden, aus Fleisch und Blut. Was zeige ich der Welt? Dass mich das göttliche Geheimnis erfüllt?“ Das Pantheon, die antike Kirche im Herzen Roms, die aus einer einzigen weiten Kuppel besteht und oben nicht geschlossen ist, sieht er als Sinnbild für die Ungreifbarkeit Gottes. Dort sei das Wichtigste das, was nicht da ist. „Kein Kunstwerk. Keine Worte. Durch die Jahrtausende dient es als Sinnbild dafür, dass das Entscheidende nicht gezeigt oder gesagt werden kann.“ Das Besondere an Schwikarts Perspektive auf Rom ist sein Blick auf die Stadt als geborener Katholik, der nach heftigem Streit mit dem Kölner Erzbischof zum Protestantismus konvertierte. Er hat das Katholische nicht einfach abgeschüttelt (wenn das überhaupt geht), sondern um den Protestantismus erweitert und schreibt in wohltuend ökumenischem Geist. Früher oder später landet der Autor auf einen Espresso oder Cappuccino in einer Bar oder in einem der vielen römischen Gasthäuser. Essen ist für ihn nicht nur eine Notwendigkeit, sondern gehört zum Erlebnis Rom unbedingt dazu. Es dient auch der Entschleunigung, um die vielen Eindrücke aus der Stadt zu verarbeiten – und setzt der römischen Hektik etwas entgegen, die zur DNA dieser Stadt gehört. Mit seinen Streifzügen vermittelt Schwikart, dass Rom nur kennenlernt, wer auch die Stadt und das Leben zwischen den Sehenswürdigkeiten wahrnimmt, sich auf einen Espresso an eine Piazza setzt und den Leuten zuguckt, die vorbeiströmen. Möglichst viele Sehenswürdigkeiten in möglichst kurzer Zeit mitzunehmen, bedeutet dagegen, Rom zu verpassen. Als Reiseführer zu den Sehenswürdigkeiten Roms ist das Buch deshalb gänzlich ungeeignet, als geistlicher Begleiter für eine Besuch in der Ewigen Stadt, gerade im Heiligen Jahr 2025, gehört es aber unbedingt in die Hand einer*es jeden Reisenden. (Religiöses Buch des Monats Februar)

Christoph Holzapfel

Christoph Holzapfel

rezensiert für den Borromäusverein.

Gott in Rom begegnen

Gott in Rom begegnen

Georg Schwikart
echter (2024)

167 Seiten : Illustrationen
kt.

MedienNr.: 621489
ISBN 978-3-429-06736-6
9783429067366
ca. 19,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
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Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats


Januar 2025

Brannte nicht unser Herz?

Der moderne Mensch tut sich oft schwer mit Traditionen, Riten und Symbolen, eine katholische Messfeier erscheint deshalb selbst manchen Katholiken inzwischen weit entfernt von ihrer eigenen Lebenswirklichkeit. Marco Benini, Professor für Liturgiewissenschaft Brannte nicht unser Herz? in Trier, möchte mit seinem Buch „Brannte nicht unser Herz?“ den Gottesdienstbesuchern Verständnishilfen anbieten, durch die sie wieder hineinfinden können in eine bewusstere und damit aktivere Teilnahme an der Eucharistiefeier. Benini vergleicht die Messe mit der Emmauserzählung des Evangelisten Lukas: In der Messe begegnen wir wie Kleopas und „der andere Jünger“ dem Herrn und im Brotbrechen gehen uns die Augen auf. Es geht deswegen darum, wie die Emmausjünger auf Jesu Wort zu hören (Wortgottesdienst), ihn einzuladen ‚Bleib bei uns!‘ und so „die rechte Haltung für die Eucharistiefeier“ einzunehmen, unser Leben einzubringen mit allem, was wir an Sorgen, Fürbitte und Dank in uns tragen. Ihn in der Kommunion zu empfangen und uns durch seinen Geist verwandeln zu lassen, von der Kommunion zur communio, der Gemeinschaft untereinander zu finden – uns einander zuzuwenden, wenn wir wie die Emmausjünger Jesus „nicht mehr sehen“, und mit brennendem Herzen in unseren Alltag zurückzukehren, von ihm gesendet, und voller Zuversicht auf die kommende Erlösung. Schritt für Schritt werden vor diesem Hintergrundverständnis die einzelnen Teile der Messfeier dargestellt und erklärt, ausgehend vom Beginn des Gottesdienstes – der Versammlung der Gemeinde. Der Bußakt mit Schuldbekenntnis, der heute vielen Menschen eher etwas suspekt ist, wird als eine Art „Faktencheck“ gedeutet, der den Menschen gerade nicht auf seine Schuld fixieren will, sondern Gottes barmherzige Vergebung zusagt. Nach dem Wortgottesdienst mit seinen verschiedenen Schriftlesungen wird das Hochgebet (in seinen vier Ausprägungen) bis in einzelne Formulierungen hinein erklärt und der Sinn ausgedeutet, auch im Rückgriff auf die Eucharistieerklärungen der Tradition in Antike und Mittelalter sowie in seinen Parallelen zum Vaterunser. Auch alle Riten und Gebete der sich anschließenden Kommunionfeier werden bis in jedes Detail ausgeleuchtet. Und nicht zuletzt auf die Sendung in die Welt verwiesen, mit der jede Messe endet, um das ganze Leben eucharistisch zu leben, dankbar für Gottes bleibende Gegenwart. Zu den hilfreichen theologischen Klärungen (Wer oder was bewirkt die Wandlung? Ab wann sind Brot und Wein zu Leib und Blut Christi geworden? Ist die Messe nun Mahl oder Opfer?) kommen auch interessante historische Einblicke, z.B. lernt man, dass gemäß der ältesten Beschreibung der Messe von Justin dem Märtyrer (um 150) die Messe damals der heutigen bereits verblüffend ähnlich war. Dazu gibt es auch einige praktische Anregungen zur Messgestaltung, etwa durch besondere Hervorhebung des Amens zum Abschluss des Hochgebets. Man erfährt, wie viele biblische Bezugnahmen in den Gottesdienst eingebaut sind, begreift den Aufbau der Messfeier in ihrem großen Zusammenhang und versteht viele Symbole und Gebete in einer wesentlich größeren Tiefe – und damit auch den vollen Sinn und die Bedeutung der Eucharistiefeier: die Vergegenwärtigung der österlichen Hingabe Christi und der pfingstlichen Geistsendung. Sie wird zum Vorbild und Modell des ganzen Lebens, das eucharistisch geprägt sein soll. Immer wieder wird gerade dieser Punkt betont, dass die Teilnahme an der Messfeier keine bloß private Frömmigkeitsform darstellt, sondern zur Zuwendung zu den anderen Menschen auffordert und dafür stärkt; und nicht zuletzt auch die Schöpfung als Gottes Gabe immer wieder in Erinnerung ruft. So wird man ermutigt und zugleich befähigt, Gottesdienste bewusster und mit größerer aktiver Teilnahme mitzufeiern – und dadurch gestärkt und verwandelt den Alltag in christlicher Weise zu gestalten. (Religiöses Buch des Monats Januar)

Brannte nicht unser Herz?

Brannte nicht unser Herz?

Marco Benini
Verlag Herder (2024)

144 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 754241
ISBN 978-3-451-41043-7
9783451410437
ca. 18,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Re
Diesen Titel bei der ekz kaufen.

Auszeichnung: Religiöses Buch des Monats