Ausgespannt zwischen Himmel und Erde
Es ist die heute so oft - manchmal auch in uns selbst - begegnende Haltung des Skeptikers oder gar des Ungläubigen, die in diesem Buch den Exegeten Gerhard Lohfink zur Auslegung der Hl. Schrift herausfordert. So sind es nicht in sich geschlossene biblische Texte, die hier ihre Erklärung finden; vielmehr antworten immer Altes und Neues Testament als ganze auf Grundfragen des Menschen und seine Zweifel an der christlichen Überlieferung. Wie befreiend z.B. die Kraft der Erinnerung sein kann, wird dem Leser sowohl vom jüdischen Exodus wie auch von der christlichen Eucharistiefeier her veranschaulicht. Besonders wenn die biblischen Texte stark bildhaft geprägt sind, ergeben sich durch diese weiten Spannungsbögen Freiräume der Interpretation, und man begreift, dass die Hl. Schrift keineswegs auf überholte Weltbilder oder Gesellschaftsmodelle festlegt, sondern eine frappierende bleibende Aktualität besitzt. Gegliedert ist das Buch in drei Hauptabschnitte ("Grundlegendes", "Festzeiten und Feste" und "In der Freude des Glaubens"), deren einzelne Kapitel auf Vorträge zurückgehen, die über einen sehr langen Zeitraum hinweg entstanden, jedoch auch - wo nötig und möglich - der aktuellen Zeitsituation angepasst sind ("Covid-19", "Geistliche Gemeinschaften im Licht der Bibel"). Lohfinks Auslegungen zeigen, dass die Hl. Schrift auch in unserer Zeit noch das Leben inspirieren und heilen kann.
Richard Niedermeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ausgespannt zwischen Himmel und Erde
Gerhard Lohfink
Herder (2021)
406 Seiten
fest geb.