Rafik Schami

„Jeder Preis ist eine Oase auf dem Weg meiner langen Reise“

Rafik Schami - Herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag


Antje Ehmann hat bei dem großartigen Autor angeklopft und nachgefragt, welche Bibliotheken eine wichtige Rolle für ihn gespielt haben, was der Unterschied ist, für Kinder oder Erwachsene zu schreiben und was er sich für die kommende Zeit erhofft?


Gibt es Kinderbücher aus Ihrer Kindheit, an die Sie sich besonders erinnern oder hat Ihnen jemand besonders beeindruckende Geschichten erzählt?

Kinderbücher, wie wir sie heute kennen, gab es bei uns nicht. Aber sobald ich lesen konnte, stürzte ich mich auf die kleine, feine Bibliothek meines Vaters und las alles, was mir in die Hände fiel. Auch Bücher, die er uns Kindern verboten hatte. Außerdem hatte ich das große Glück, so viele Geschichten von mündlichen Erzählerinnen und Erzählern zu genießen. Mich hat es mehr als die Bücher fasziniert, wie eine Frau oder ein Mann so erzählen kann, dass die Leute beim Zuhören lachen und weinen mussten. Heute weiß ich, es war das Samenkorn, aus dem meine spätere Leidenschaft für mündliches Erzählen gewachsen ist.


Welche Bibliotheken haben in Ihrem bisherigen Leben eine wichtige Rolle gespielt?

Die Bibliothek meines Vaters, die Bibliothek des Erlöser-Klosters im Libanon, wo ich drei Jahre im Internat verbracht habe. Mein Vater träumte vergeblich davon, einen seiner Söhne als Pfarrer zu sehen.
Die Bibliothek der Universität Heidelberg, meine Bibliothek und seit ungefähr zehn Jahren die diversen arabischen Internet-Bibliotheken, wo zahllose Schätze der arabischen Kultur aus dem siebten bis neunten Jahrhundert archiviert sind. Viele darunter sind Perlen, die man nicht kaufen kann. Das ist auch eine positive Seite der virtuellen Welt.

Am 2. Juli 2021 ist eine Veranstaltung im Luisenpark Mannheim geplant. Wie sehr freuen Sie sich darauf? Was bedeuten Ihnen all die Lesungen?

Die Seebühne im Luisenpark stellt eine ideale Voraussetzung fürs Erzählen dar: literaturbegeisterte Veranstalter, absolut perfekte Akustik und über tausend Zuhörerinnen und Zuhörer. Die Pandemie hat die Veranstaltung nun leider unmöglich gemacht. Denn wir wollen nicht, dass Herr Covid und Frau Corona mehr Plätze besetzen als unser Publikum. Aber wir sagen die Veranstaltung nicht ab, sondern verschieben sie. Ich werde alles tun, um sie zu halten, sobald es für alle nicht mehr gefährlich ist.


Gibt es Pläne und Wünsche für das Jahr und woran arbeiten Sie gerade?


Mein erster Wunsch ist, dass wir diszipliniert diese üble Pandemie besiegen, und natürlich auch, dass die Diktatur in Syrien und anderen Ländern ein Ende findet. Mein neues Buch ist gerade in die Druckerei gegangen. Es erscheint im Herbst diesen Jahres und sein Titel lautet: „Mein Sternzeichen ist der Regenbogen“.


Ihre Geschichten sind oft bei aller Tragik heiter, warum?


Weil ich das Lachen für den besten Schmuggler von Inhalten halte, im Guten wie im Schlechten. So kann mancher Comedian seine rassistischen und frauenfeindlichen Ansichten mit einem Lachen tarnen. Wie oft ärgere ich mich, wenn das Publikum im Fernsehen grölt, obwohl es sich um einen sehr bedenklichen Inhalt handelt. Aber ebenso kann man auch humanistische, philosophische und moralische Gedanken viel besser mit Lachen ins Herz und Hirn schmuggeln.


Ganz herzlichen Dank für das Interview!



Ausgewählte Werke von Rafik Schami

Die Farbe der Worte

Rezension

Die Farbe der Worte

Die Kunst arabischer Märchenerzähler wird von dem Autor in die Moderne weitergetragen. Seine blumige Ausdrucksweise und starke Bilder vermitteln die Erzählungen aus seiner Kindheit in Syrien (...)

Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte

Rezension

Die Frau, die ihren Mann auf dem Flohmarkt verkaufte

Rafik Schami ist in Damaskus aufgewachsen und erlernte durch seinen Großvater die Kunst des "Flunkerns und Erzählens". Der alte Mann war prägend für seinen Enkel, nahm ihn mit auf den Markt (...)