Weniger ist manchmal mehr
Ein jährliches Veranstaltungsangebot gehört heutzutage zur Büchereiarbeit wie „das Amen in der Kirche“ und trägt maßgeblich mit dazu bei, ob unsere KÖB als ein lebendiger Treffpunkt innerhalb der Gemeinde erlebt und gesehen wird. Zu unseren „Veranstaltungs-Klassikern“ gehören in den meisten KÖBs die Bibfit-Kurse, Buchausstellungen, Literaturgesprächskreise und Autorenlesungen. Zudem präsentiert man sich gerne bei Gemeindefesten und veranstaltet mindestens einmal im Jahr einen Büchertrödelmarkt.
Die Durchführung dieser klassischen Veranstaltungsangebote ist jedoch recht aufwendig und viele Büchereien erleben, dass es zunehmend schwieriger wird, alle Angebote wie gewohnt anzubieten, da die Ehrenamtlichen im KÖB-Team durch Beruf und Familie zeitlich sehr eingeschränkt sind oder die Gemeinde die finanziellen Mittel kürzt. Wir nehmen aber auch wahr, dass uns die bisherigen Zielgruppen teilweise wegbrechen.
Gegenfrage: Macht Ihnen die Durchführung der Veranstaltung denn noch Spaß und würden Sie selbst daran teilnehmen?
Wenn ja, sollten die gut angenommenen Veranstaltungsangebote in einer KÖB auch möglichst weiter angeboten werden. Aber was macht man mit den nicht so gut laufenden Angeboten oder eben, wenn man die bisherigen Veranstaltungen aus den oben genannten Gründen nicht mehr anbieten kann? Außerdem hat uns die Corona-Krise gezeigt, dass aufwendig geplante Veranstaltungen plötzlich nicht mehr durchgeführt werden konnten. Gibt es Alternativen?
Wenn Sie auf der Suche nach einem neuen „kleineren“ Veranstaltungsformat sind, mit dem man neue Zielgruppen ansprechen oder auch alte Zielgruppen wieder aktivieren kann, ist für Ihre KÖB sicherlich bei den folgenden Praxisbeispielen etwas dabei!
Alle Angebote berücksichtigen dabei, dass es zeitlich, finanziell und/oder personell nicht zu aufwendig sein darf – aber trotzdem interessant! Zudem eignen sie sich für kleine Gruppen.
Der Leitsatz für Ihr neues Angebot: Machen Sie nur das, was Ihnen selbst Freude bereitet und wofür Sie sich selbst begeistern können!
Das klingt wahrscheinlich ein wenig egoistisch und ist für einen typischen Bücherei-Ehrenamtlichen eher eine ungewohnte Einstellung zur Büchereiarbeit. Selbstverständlich sollte man auch die Zielgruppe nicht aus den Augen verlieren. Doch die Erfahrung aus meinem ehrenamtlichen Büchereialltag hat bisher gezeigt, dass bei einer freudigen „Eigenbegeisterung“ die Zielgruppe fast ganz von alleine kommt. Die folgenden Beispiele werden zeigen, wie sich das in der Praxis umsetzen lässt. Selbstverständlich braucht ein neues Veranstaltungsprogramm auch ein neues Konzept inklusive guter Öffentlichkeitsarbeit – doch für die kleinen Veranstaltungen reichen hierbei oft auch die kleinen kurzen Wege, also setzen Sie vor allem auf Mundpropaganda.
Ein gutes Konzept zur Veranstaltungsplanung hilft dem KÖB-Team dabei, herauszufinden, welche Ressourcen vorhanden sind und welche Zielgruppen erreicht werden sollen, um ggfs. das Angebot anzupassen. Dabei sollte bei der Planung mitberücksichtigt werden, an welchem Veranstaltungsangebot die durchführenden Mitarbeiter selbst auch Freude haben und, dass der Aufwand für die Mitarbeiter nicht zu groß wird.
Eine wichtige Erkenntnis vorweg: Eine gute Veranstaltung misst sich nicht an der Anzahl der Teilnehmenden!
Als ehrenamtliche Büchereileiterin in der KÖB St. Katharina in Köln-Niehl habe ich immer wieder neue Veranstaltungen geplant und mit oder auch ganz ohne weitere Hilfpersonen durchgeführt. In den ersten Jahren hatte ich mir dann immer viele Gedanken dazu gemacht, wie ich das Angebot bewerbe und ob auch wirklich genug Interessierte kommen würden. Sie kennen das vielleicht: Wenn man eine tolle Idee hat und es den Lesern oder Bekannten erzählt, finden diese das auch ganz toll. Doch am Veranstaltungstag kommen sie dann doch nicht oder entschuldigen sich ganz kurzfristig. So etwas kann bei einer groß geplanten Lesung sehr unangenehm und bei aufwendig geplanten Veranstaltungen auch sehr ärgerlich sein.
Der Vorteil der kleinen (fast) kostenlosen Veranstaltungen: Es ist egal, wenn nur zwei Leute kommen und es kann dadurch sogar eine besonders gut gelungene Veranstaltung werden – ein ganz besonderer Abend mit guten Gesprächen in kleiner Runde. Sie haben nicht viel vorbereitet, kein Geld ausgegeben und auch nur eine Stunde Zeit für den Abend eingeplant. Es gibt dann wirklich nichts, über das Sie sich ärgern müssten, wenn statt der erhofften 10 Personen nur 2 Teilnehmerinnen kommen, wobei sie mit der einen auch noch verwandt sind.
Wenn es dann tatsächlich für alle der nette Abend in der KÖB war, dann wird sich das rumsprechen und beim nächsten Mal bringen die zwei netten Teilnehmerinnen noch jemanden mit und Sie können es als Veranstaltungsreihe fortführen.
Für den Fall, dass der Abend für alle eher langweilig war oder sich die Beteiligten auf Dauer doch etwas Anderes vorstellen, kann man dies gemeinsam besprechen und kommt dann entweder zu dem Entschluss, dass das nicht wiederholt werden muss oder man nochmal anders an die Sache rangehen sollte. Verbuchen
Sie diese Abende als Erfahrung und auf keinen Fall als Niederlage.
Aus der Praxis kann ich Ihnen berichten, dass wir in unserer Bücherei inzwischen selten mit mehr als 10 Personen rechnen und, dass die Angebote im kleinen Kreis von 4 – 6 Personen oft die schönsten Erfahrungen für uns sind, wir uns aber jedes Mal natürlich riesig freuen, wenn der Laden voll ist – und das ist er in unserer Bücherei bei 25 Teilnehmern. Ja, das ist natürlich auch ein sehr schönes Gefühl, sollte aber nicht immer Ihr Ziel sein, damit Sie nicht unter Druck geraten. Des Weiteren konnte ich in der Praxis auch feststellen, dass wir immer weniger Öffentlichkeitsarbeit betreiben mussten. Nach einer Anlaufzeit von einigen Monaten hatte es sich rumgesprochen und so wuchs z. B. unser Mitsingabend „KÖB singt…“ auf eine konstante Teilnehmerzahl von 15 – 20 „Mitsingern“. Heute werden wir in der KÖB gefragt, wann wir denn wieder was anbieten und es reicht aus, dass wir die Termine auf Handzetteln veröffentlichen. Ansonsten erscheinen die Termine in unserer Übersicht auf der KÖB-Homepage, facebook und durch Aushänge im Schaufenster oder Schaukasten. Lediglich für unsere Veranstaltung „Ich bin neu in Niehl“, hatten wir persönliche Einladungen in den zwei Neubausiedlungen verteilt. Je nach Zielgruppe lohnt sich ein bisschen mehr Aufwand. Da die Zielgruppen in diesen Fällen aber eher klein sind, ist es dann auch gar nicht so viel Mehrarbeit.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit ein bisschen die Scheu nehmen, mal etwas Neues in Ihrer KÖB auszuprobieren. Überlegen Sie gemeinsam mit Ihrem Team, was Ihnen Spaß machen würde. Womit beschäftigen Sie sich gerne in Ihrer Freizeit?
Welche Talente und Hobbies der Mitarbeiter oder von Bekannten kann man gut mit der Veranstaltungsarbeit in der Bücherei verbinden (z. B. Näh- oder Strickliesel-Treff, Heimat-Forscher, Briefmarkensammler, Deko- und Bastel-Queen, Künstler, Musiklehrer, Hobby-Koch, Märchenerzähler, Sammler, Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte, überlegen Sie mal!)
Für ihre „kleine” Veranstaltung
Sie finden hier einige Angebote aus der Büchereipraxis von kleineren Büchereien, die nach Zielgruppen sortiert sind und als Anregung dienen sollen. Die Formate dürfen gerne kopiert oder auch verändert werden. Behalten Sie dabei sich, Ihr Team und Ihre Zielgruppe im Blick!
Denken Sie „klein“!
Ein Schlüsselerlebnis hatte ich nach einer kleinen gemütlichen Vorleserunde mit der Kommunionkinder-Gruppe im Advent. Ich hatte die Katechetin angesprochen und mit ihr vereinbart, dass sie mit der Gruppe von 7 Kindern eine halbe Stunde vor der Abendmesse in die Bücherei kommt. Die freie Zeit der Kinder war sehr knapp! Damals lief gerade der erste Paddington-Bär-Film im Kino und ich hatte die Geschichte zusammen mit dem passenden Bilderbuch vorbereitet und dazu ein paar Kerzen und Spekulatius besorgt. Mehr nicht!
In gemütlicher Runde saßen wir bei Kerzenschein in unserer Sofa-Ecke. Die Kinder hatten auch selbstgebackene Plätzchen mitgebracht und lauschten ganz ruhig meiner Geschichte und schauten sich dazu die Bilder in dem Bilderbuch an. Die Katechetin sagte mir nachher, dass es für sie bisher der entspannteste Moment in der Adventszeit war. Nach über einer Woche kam dann noch eine Mutter auf mich zu und sagte, dass sie so froh sei, mich zu treffen, da sie mir schon die ganze Zeit sagen wollte, wie gut ihrem Sohn der Nachmittag in unserer Bücherei gefallen hätte. Da dachte ich leicht verwundert, dass ich doch eigentlich gar nichts gemacht habe.
Uns ist oft gar nicht bewusst, wie selten diese ruhigen Momente in den Familien geworden sind und, dass wir besonders für die Kinder mit sehr wenig Aufwand sehr viel anbieten können. Eine kleine Vorleserunde als Gegensatz zu Schul- und Freizeitstress. Bei den älteren Erwachsenen und Senioren sind es dagegen zu viele ruhige Momente und sie freuen sich über kleine Angebote, wo man mal miteinander ins Gespräch kommen kann.
Zusammenfassung und Übersicht
Was Sie für die Veranstaltung brauchen:
- Eine schöne Idee: Was macht mir oder meinem Team Spaß? Was kann ich gut? Was können andere gut?
- Ein bisschen Zeit: Für die Planung insgesamt maximal 1 Stunde; für Öffentlichkeitsarbeit maximal 1 Stunde; Durchführung mindestens 30 Minuten bis max. 2 Stunden)
- Ein bisschen Mut zur Improvisation: Wenn Sie nicht viel Zeit für Vorbereitungen aufbringen können, haben Sie ruhig Mut zur Lücke. Bei den kleinen Veranstaltungen kann man wunderbar die Teilnehmer einbeziehen. Wenn Ihnen „das Programm ausgehen sollte“, stellen Sie der Gruppe einfach ein paar Fragen und wenn Sie dabei vom Thema abkommen, ist das auch völlig in Ordnung, sofern es die Gruppe auch interessiert. Vielleicht ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass man auch bei einem sehr gut vorbereiteten Bibfit-Kurs oder anderen Veranstaltungen für Kinder trotzdem immer wieder improvisieren muss, weil die Kleinen noch ganz andere Wünsche oder Fragen haben.
Wen man außerhalb des KÖB-Teams ansprechen kann:
Regionale Schätze nutzen: Überlegen, wen man vor Ort ansprechen kann, um mal eine „andere“ Veranstaltung durchzuführen:
- Künstler, Hobbymaler (Kunstausstellung, Kreativ-Workshop, etc.?)
- Mediziner, Apotheker, Juristen (Vortrag?)
- Sammler, Historiker (Ausstellung, Vortrag, Mitmach-Workshop?)
- Musiker (Mitsing-Abend, Kleines Konzert, Schnupperstunde für Kinder?)
- Autoren, Journalisten (Lesung)
- Gruppierungen in oder außerhalb der Gemeinde (Nachbarschafts-Netzwerke, Bürger- oder Schützenverein, Stiftungen, Karnevalsverein,
Kooperationspartner*innen für Lesungen an verschiedenen Orten:
- lokalen Gaststätten / Cafés / Eisdiele etc.
- Buchhandlung
- Nachbar-KÖB oder Bibliothek
- Ev. Gemeinde oder andere
- Schützenverein/Heimatverein
Rückblick und Auswertung
Nach der Veranstaltung ist vor der Veranstaltung. Nehmen Sie sich nach jeder Veranstaltung kurz Zeit, sich mit den Beteiligten und eventuell auch 2 – 3 Teilnehmern zusammenzusetzen und zu schauen, was besonders gut angekommen ist bzw. Ihnen selbst gut gefallen hat.
Oft ist man bei der Planung unsicher, ob man Eintritt nehmen sollte oder lieber ein Spendenschwein aufstellt. Probieren Sie gegebenenfalls beides aus und vergleichen nach den Veranstaltungen die Einnahmen. Meistens ist der Betrag der Spenden höher, als wenn man einen kleinen Eintrittsbetrag verlangt hat.
Fragen Sie sich auch, ob sich der Aufwand gelohnt hat! Überlegen Sie gemeinsam, ob man beim nächsten Mal etwas anders machen sollte und halten Sie dies möglichst auch schriftlich fest (insbesondere wenn es sich um jährliche Veranstaltungen handelt).
Ich wünsche Ihnen gute Ideen und viel Spaß mit Ihren neuen Angeboten!