Ein französischer Sommer

Da ist Michael, ein alternder, egozentrischer Schriftsteller mit Vergangenheitstrauma und einem Drang zur Abwertung anderer Personen - unfähig, Zuneigung und Liebe in angemessener Form zu zeigen. Und da ist Leah, eine junge, gesellschaftlich wenig ambitionierte Frau auf der Suche nach dem besonderen Kick im Leben, der sich selbst durch Gelegenheitsdrogen und sexuelle Experimentierfreude nicht wirklich einstellt. Zwischen den beiden Figuren besteht vordergründig eine professionelle Verbindung: Leah soll Büroarbeiten für Michael übernehmen und unter anderem seine handgeschriebenen Tagebücher in Reinform bringen. Von Anfang an baut sich in dieser Beziehung jedoch eine fast unerträgliche Spannung auf, die weit über das Professionelle hinausgeht und von Vergangenem, Machtlust, Begierde und perfidem Spiel mit Emotionen bestimmt wird. Schauplatz ist das Sommerdomizil des alternden Schriftstellers an der südfranzösischen Küste, wo Familie und Freunde jedes Jahr zusammentreffen. Die sinnbildliche Sommeridylle wird jedoch zunehmend zersetzt, je mehr sich der Leser den Charakteren nähert. - Francesca Reece beweist einen ausgeprägten Sinn für Details und kommunikative Zwischentöne und die Fähigkeit, beides in Sprache einzufangen. Mit ihrem Stil nimmt sie den Leser für sich ein, lässt inhaltliche Längen verzeihen und sogar dem Zustand der bis zum Schluss fraglichen Intention des Romans etwas abgewinnen. Für eine typische Sommerlektüre, wie es der Klappentext suggeriert, würde man sich allerdings mehr Leichtigkeit wünschen. Nichts für Gelegenheitsleser, aber interessant für Experimentierfreudige.