Wo die Wasser sich begegnen

In ihrem ersten in englischer Sprache verfassten Roman schildert die chinesische Autorin die Geschichte von Phönix (eigentlich Yuan Feng) und ihrer Mutter Rain, deren wirklicher Name Chunyu (Frühlingsregen) ist. Beide Frauen waren ihr Leben lang fast unzertrennlich, sowohl in China als auch später in Kanada. Während zunächst über die relativ unspektakuläre Kindheit Yuan Fengs in China während der Kulturrevolution berichtet wird, beginnt die ereignisreichere Erzählung mit dem Tod von Chunyu. Tief erschüttert und verzweifelt findet Phönix in einem zurückgelassenen Koffer ihrer Mutter zwei Fotos und ein rätselhaftes Fläschchen mit einem Pulver. Ihr wird klar, dass es offensichtlich Geheimnisse im Leben von Rain gab, die sie herausfinden muss. Dabei kann ihr nur die einzig verbliebene Verwandte helfen, ihre Tante Mei, die Schwester ihrer Mutter, die hochbetagt in Shanghai lebt. Zunächst zögerlich, dann aber bereitwilliger berichtet ihre Tante über das schwierige Leben in Zeiten von drei Kriegen. Während des chinesisch-japanischen Kriegs mussten sie die brutale Gewalt der japanischen Besatzer am eigenen Leib erfahren. Auch während des chinesischen Bürgerkriegs wurde die Lage nicht besser und die anschließend beginnende Kulturrevolution erzeugte weiteres Leid. Trotz aller Erniedrigungen und unermesslichen Elends schafft es die Autorin, auch positive Aspekte einzubringen, indem sie den Mut und die Widerstandskraft zum Überleben besonders von Chunyu hervorhebt. – Das Werk ist eine erschütternde Darstellung von Krieg und Diktatur. Es schildert aber auch sehr berührend den Mut, die Stärke und den Willen von Frauen, ihr Schicksal zu meistern. Neben der einfühlsamen Geschichte der beiden Protagonistinnen und der Mutter-Tochter-Beziehung besticht das Buch aber auch als eindrucksvolles Zeitzeugnis chinesischer Geschichte des 20. Jh. – Ein durchaus empfehlenswerter, spannender Roman.