Pericallosa

Evelyn Roll, Journalistin der Süddeutschen Zeitung, überlebt ein geplatztes Aneurysma im Gehirn und beginnt ihr zweites Leben, in dem sie sich intensiv mit der Geschichte ihrer Familie beschäftigt. In jedem zweiten Kapitel beschreibt sie detailliert das Platzen des Aneurysmas, den Weg in die Charité, die Operation, den Aufenthalt auf der Intensiv- und der Normalstation, die Reha und auch die Aufarbeitung dieser Lebensphase durch Besuch von Krankenhaus und Ärzten. Ihr intensives Lesen von Büchern über Gehirnforschung und Neurowissenschaft vor dem Ereignis lässt sie verstehen, was „Godzilla Pericallosa“, das „Monster“ in ihrem Kopf, bedeutet und angerichtet hat, diese zahlreichen Beschreibungen müssen die Leser:innen aushalten. In den anderen Kapiteln geht es um ihr Leben – ohne Hitler gäbe es sie nicht -, also um das zufällige Zusammentreffen von Vater und Mutter 1945, deren sehr unterschiedliche Sozialisation und ihre Ehe im „Wirtschaftswunderland“ Deutschland, in der die Frau wieder zur „Mutti“ wird. Nach der OP schließt sich die Suche nach der Familie des Vaters an, die nach Polen führt und in Ostdeutschland erfolgreich endet. - Das Buch ähnelt einem Essay mit vielen Zeitsprüngen, Reflexionen, Wiederholungen, Fragen – dazu kommt immer wieder der Versuch, mit dem Wissen der Autorin über Gehirnfunktionen Gefühle, Träume, Verhalten zu erklären: z.B. ihr sich stets wiederholendes Frieren und Unwohlsein als Kind an einer Talsperre im Sauerland erklärt sie damit, dass sie schon als Kind gespürt haben müsse, dass etwas nicht stimme. Später erfährt sie, dass hier ein Lager für Zwangsarbeiter errichtet worden ist, die dort verhungert und erfroren sind. Andere Themen, auf die sie ausführlich eingeht, sind die Entstehung von Erinnerungen oder die Wirkung von Musik. Evelyn Roll fühlt sich durch das Lesen von Büchern zur Gehirnforschung kompetent, Probleme und Fragen das menschliche Gehirn betreffend zu beantworten.