Der fröhliche Rabbi
David Kraus wächst in Regensburg in einer als laizistisch einzustufenden jüdischen Familie auf. Motorräder und Partys sind für den Jugendlichen die wichtigsten Lebensziele. Bei einer Fete kommt es zu einem Streit und er wird eine Treppe hinuntergestoßen. Schwerste Verletzungen erfordern monatelange Klinikaufenthalte, in denen er mit seinem Schicksal hadert und sich zögerlich der jüdischen Glaubenswelt nähert. Zur weiteren Gesundung wird er zu Verwandten nach Israel geschickt. Dort lernt er ein Mädchen aus chassidischen Kreisen kennen und findet über sie Zugang zu deren Denk- und Lebenswelten. Beim Talmudstudium auf dem Weg zum Rabbiner beeindruckt ihn das Werk des Rabbi Nachman aus Breslev, das auf seinem weiteren Lebensweg bestimmend wird. Kraus will seine Erfahrungen weitergeben und beginnt eine Ausbildung zum Psychotherapeuten. Heute berät Kraus nicht nur Einzelpersonen, sondern hält trotz bestehender schwerer Unfallfolgen in Europa psychotherapeutische Kurse. - Bemerkenswert ist an diesem Buch nicht nur der umgekehrte Lebensweg vom religionsfernen Juden in charedische Kreise, sondern vor allem der humorvolle, optimistische Grundton. Ihn durchzieht vor allem der zweite Teil des Buches, in dem Kraus verschiedene Lebensfragen beleuchtet. Dort zitiert er immer wieder Rabbi Nachman, der im 18. Jh. schon Gedanken vorwegnahm, die auch die Psychologen des 20. Jh. beschäftigten. Kraus behauptet sogar, das Studium von Thora und Talmud sei eine Form der Psychoanalyse. Für ihn selbst sind die den ganzen Alltag durchziehenden Lebensregeln und Gebräuche der Chassidim offenbar eine gewichtige Strukturhilfe, sich stets des göttlichen Schutzes und dessen unerforschlicher Wege bewusst zu bleiben. Lesenswert!
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Der fröhliche Rabbi
David Kraus
Knaur (2021)
238 Seiten
fest geb.