Schlesenburg
Deutschland Ende der 1980er Jahre. Die Familie des Ich-Erzählers in Bokowskis Roman-Debüt stammt wie die meisten Menschen in der sog. Schlesenburg, einer Ansammlung von Wohnblöcken am Rande einer Stadt mitten in Deutschland, aus Polen, Spätaussiedler, die dort angesiedelt wurden. Der Junge erzählt vom dortigen Alltag, von den Abenteuern der Kinder und von den Erwachsenen, vor allem einfache Arbeiter, die ihren Lebensunterhalt in Fabriken verdienen. Die Menschen in der Schlesenburg träumen von ein wenig Wohlstand in einem Land, das nicht mehr ganz fremd, aber auch noch nicht ganz Heimat geworden ist. Als die alte Frau Galówka in ihrer Wohnung verbrennt, entdeckt der Protagonist, dass sein Vater insgeheim Pläne mit der nun freien Wohnung schmiedet. Onkel Staszek soll dort einziehen, der Bruder der Mutter, den die Eltern in Polen zurückgelassen haben. - Das Buch ist vor allem eine Parade von Charakteren, deren Lebensumstände und Persönlichkeiten humorvoll und mit viel Liebe zum Detail aus der Perspektive des Jungen geschildert werden. Die Sprache ist voller einprägsamer Bilder, manchmal kompromisslos. Eine großartige Geschichte über Menschen, deren Leben unspektakulär zu sein scheint, in deren Schicksalen sich aber die großen und kleinen Dramen menschlicher Existenz widerspiegeln.
Walter Brunhuber
rezensiert für den Borromäusverein.
Schlesenburg
Paul Bokowski
btb (2022)
316 Seiten
fest geb.
Auszeichnung: Roman des Monats