Der Klang der Erinnerung
William ist Halbwaise und soll die Familientradition des Einbalsamierers und Bestatters an seines Vaters Stelle unter seinem Onkel weiterführen. Die Witwe und Mutter Williams will dies auf jeden Fall vermeiden und ermöglicht ihrem Sohn eine Ausbildung
im Internat, wo William zunächst als Sängerknabe heranwächst. Sein Traum vom Solisten platzt in einem traumatisch erlebten Vorsingen, in dem er scheitert und tief gedemütigt trotzig die Ausbildung seiner Vorfahren aufnimmt. Sein erster professioneller Einsatz führt ihn nach Aberfan in Wales, wo er nach dem Einsturz einer Schule zahlreiche verunglückte Kinder bergen und für die Bestattung vorbereiten muss. Er versteht sein Handwerk, überbringt den Eltern die Todesbotschaft und scheut den Blick auf seine eigenen tiefen Wunden, die der Tod gerissen hat. Seine Arbeit aber entlässt ihn nicht aus der Konfrontation und so ringt William mit Leben und Tod zugleich. - Ein ungewöhnliches Motiv wählt die Autorin für ihren Debütroman und widmet sich gleichzeitig einer historischen Begebenheit. Die Verschmelzung von Fakten und äußerer Handlung, die zur Metapher für die Entwicklung des Protagonisten werden, mündet in einen fast kitschigen Schluss, in dem das Leben siegt. In über große Strecken sehr poetischer Sprache führt Browning Wroe ihre Leser:innen durch das Schicksal Williams, bedient sich der Musik als Allegorie und schafft damit eine teils bedrückende Atmosphäre, die den Blick nicht vom Schrecklichen wendet, jedoch das immerwährende "Werde" siegen lässt. Besonders.
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Der Klang der Erinnerung
Jo Browning Wroe ; aus dem Englischen von Claudia Feldmann
Insel Verlag (2022)
414 Seiten
fest geb.