Der Onkel

Es gibt gute und böse Onkel, und man ahnt früh, was es mit dem titelgebenden Onkel auf sich hat, den Michael Ostrowski da in eine Geschichte entlässt, die schon auf den ersten Seiten ebenso aberwitzig wie pointenreich Fahrt aufnimmt. Mike parkt Der Onkel seinen alten Ford Escort in einem Waldstück, zupft seine Perücke zurecht und geht zu einem österreichischen Autohof, um die dort zockenden Taxifahrer mit seinen gezinkten Würfeln hereinzulegen, hat dann einen Quickie mit der Kellnerin und entkommt schließlich den ihn verfolgenden Taxlern. So atemberaubend geht es weiter: Mike besucht seine Schwägerin, der Bruder, ein erfolgreicher Immobilienmakler, liegt im Koma. Der Besuch in der Luxusvilla des abwesenden Bruders schwankt zwischen Stalking und Empathie, die Ehefrau bleibt feindselig, aber die Nichte, die ihre Weltumsturzpläne auf Instagram postet, lässt sich mehr noch als der Neffe von Mikes mephistophelischer Aura einfangen. Man weiß nie, wie es weitergeht, unheimlich, bedrohlich oder einfach nur entlarvend komisch und zynisch in diesem Abenteuer- und Schelmenroman, der dramaturgisch elegant, nahezu drehbuchreif daherkommt, mit viel Wiener Schmäh geschrieben und von Elfriede Jelinek mit Vorschusslorbeeren geschmückt worden ist. Sehr empfehlenswert.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Der Onkel

Der Onkel

Michael Ostrowski
Rowohlt Hundert Augen (2022)

318 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 751208
ISBN 978-3-498-00329-6
9783498003296
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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