Auf der anderen Seite des Meeres

Als ihr vertrauter Betreuer Miko eine andere Stelle annimmt, hält auch Holly Hogan nicht mehr viel in Templeton House, dem Kinderheim, in dem sie viele Jahre ihres Lebens gewohnt hat. Miko hat sie beschworen, die neuen Pflegeeltern trotz früherer schlechter Erfahrungen als Chance auf einen Neuanfang zu erkennen. Doch die 14-Jährige tut sich mit dem Eingewöhnen in die bürgerliche Umgebung schwer. Als sie dann in einer Schublade eine abgelegte blonde Perücke findet, die sie um Jahre älter aussehen lässt, steht ihr Entschluss fest. Sie verwandelt sich in die unerschrockene Solace, der niemand etwas vorschreiben kann und macht sich auf den Weg nach Irland. Hier, so glaubt sie felsenfest, wartet ihre Mutter schon seit Jahren auf sie. Ohne richtigen Plan und mit fast keinem Geld wird die Tour quer durch England zu einem aufreibenden und nicht ganz ungefährlichen Unternehmen. Am Ende wird es eine Reise zu sich selbst, und Holly ist endlich dazu bereit, die lange verdrängten Erlebnisse ihrer schwierigen Familiengeschichte zu akzeptieren. - Auch in ihrem vierten und letzten Jugendroman schafft es die 2007 viel zu früh verstorbene irisch-britische Autorin mühelos, ihre Leser mit der Geschichte ihrer überaus komplexen Protagonistin zu fesseln. Holly ist mal aggressiv und selbstbewusst, mal traurig und verstört und laut ihrer Betreuer stark gefährdet, endgültig abzurutschen. Trotz all ihrer schlechten Erfahrungen lässt sie sich aber nicht unterkriegen und ist entschlossen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Dowd erzählt mit großer Intensität ganz aus der Perspektive der verletzlichen Jugendlichen und findet jederzeit die richtigen Zwischentöne, um die Anteilnahme junger Leser am Schicksal einer Gleichaltrigen wachzuhalten. Ein wirklich tolles und ziemlich unvergessliches Leseerlebnis. (Übers.: Salah Naoura)