Sozialstaatsdämmerung
Jürgen Borchert ist Vorsitzender Richter am Hessischen Landessozialgericht. Er ist ein überparteilicher und gefragter Ratgeber für die Politik. Am Beispiel der Neuorientierung des Rentensystems von 1957, belegt Borchert die aus seiner Sicht mangelhafte
Prioritätensetzung bei den Prämissen der Solidarsysteme: der Wertschätzung und materiellen Ausstattung der Kindererziehung. Jürgen Borchert kritisiert die Hartz-Gesetze scharf. Besonders dass diese nur Überleben garantierten, aber nicht die (Wieder-)Herstellung gesellschaftlicher Teilhabe bzw. die Überwindung manifest-struktureller Armut. Borchert weist die mangelnde demografische Lenkungswirkung (Ankurbelung des Nachwuchses) vieler aktueller familienpolitischer Maßnahmen nach (Ehegatten-Splitting, beitragsfreie Mitversicherung, Kindergeld). Ebenso beweist er, dass die meisten sozialen Maßnahmen von der Unter- und Mittelschicht finanziert worden sind, vor allem durch die Erhöhung der Verbrauchssteuern, die einkommensschwache Familien am stärksten belasten (Borchert, Seite 124 - 135). Der Sozialrichter erweist sich als ein profunder Kenner und Anwender der Christlichen Gesellschaftsethik, besonders der Schriften Oswald von Nell-Breunings. Kinderarmut und sich verfestigende soziale Ausgrenzung sind für ihn gemachte und damit überwindbare Phänomene. Eine wachrüttelnde, notwendige und mahnende Bestandsaufnahme!
Karsten Steil-Wilke
rezensiert für den Borromäusverein.

Sozialstaatsdämmerung
Jürgen Borchert
Riemann (2013)
242 S. : graph. Darst., Tab.
fest geb.