Das pinke Hochzeitsbuch
Als der Erzähler 1984 aus dem Sommercamp zurückkommt, sind seine Eltern und seine kleine Schwester ohne Vorwarnung verschwunden, geflohen aus dem sozialistischen Polen in die Bundesrepublik Deutschland. Seine Eltern erklären ihm telefonisch, seine
Ausreisepapiere seien nicht genehmigt worden, doch der Junge sucht die Schuld zunächst bei sich. Ein Jahr verbringt er in der Wohnung seiner resoluten Großmutter, die sich unter ständiger Angst vor dem oppressiven Regime um seine Papiere bemüht, bis die Ausreise unter glücklichen Umständen schließlich gelingt. Jahrzehnte später, als die Familie anlässlich des Tods der Großmutter erneut in Polen zusammentrifft, bricht hervor, wie schwer die damalige Entscheidung der Eltern den Erzähler noch immer belastet. - Der Roman zeichnet ein emotional komplexes Bild einer zerrissenen Familie, in der die Eltern ihre Schuld verdrängen und der Sohn das Verlassenwerden nicht verarbeiten kann, vor der Kulisse des ehemaligen polnischen Überwachungsstaats und der nach den Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs schwierigen Beziehung zu Deutschland. Dabei wechseln sich kapitelweise Gegenwart und Vergangenheit ab, wobei die Erinnerungen zunehmend zu verschwimmen beginnen. Zu empfehlen.
Marlene Knörr
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Das pinke Hochzeitsbuch
Przemek Zybowski
Luchterhand (2022)
218 Seiten
fest geb.