Die Richterin

"Wie falsch es war anzunehmen, Juristen wären leidenschaftslose Menschen, bar jeden Gefühls. Das Gegenteil bewies Gabrielle in Amt und Würden." Als Richterin bestimmt die Protagonistin über das Schicksal von Asylbewerbern. Sie geht äußerst gewissenhaft Die Richterin und akribisch vor, informiert sich über die Lage in den Herkunftsgebieten, liest Berichte und Dokumentationen über Abschiebeländer. Zahlen und Fakten sind die Argumentationshilfe in der Urteilsfindung. Gabrielles nachlassende Sehkraft erschwert die Bewältigung ihres beachtlichen Arbeitspensums - das Bild der Justitia mit verbundenen Augen wird mit Kalkül heraufbeschworen. Die Gewissheit, wegen eines genetischen Defekts zu erblinden, ist aber nicht die einzige Belastung. Die Richterin beschäftigt der ungeklärte Tod des Vaters, dem wegen illegaler Waffengeschäfte eine strafrechtliche Verfolgung drohte, die Verantwortung für den drogenabhängigen Bruder, der Verlust des ungeborenen Kindes und die Entfremdung vom Ehemann, einem frühpensionierten Lehrer. Die Fassade des glücklichen, kultivierten und gut situierten Akademikerpaares mit Villa am Stadtrand kann nur noch mit Mühe aufrechterhalten werden. Nüchtern, kühl, mit analytischer Schärfe und psychologischem Tiefgang entfaltet der Roman das Bild einer pflichtbewussten, engagierten Juristin, unter deren Talar sich eine empfindsame und verletzliche Frau verbirgt. Sehr zu empfehlen.

Gertrud Plennert

Gertrud Plennert

rezensiert für den Borromäusverein.

Die Richterin

Die Richterin

Lydia Mischkulnig
Haymonverlag (2020)

289 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 601489
ISBN 978-3-7099-8110-8
9783709981108
ca. 22,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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