Bruder Wolf

Die jüngste Tochter erzählt vom Auseinanderbrechen ihrer Familie. Eigentlich fühlen sie sich wie ein Indianerstamm, aber als der Häuptling seine Stelle verliert und die Mutter trotz dreier Jobs nicht genügend Geld erarbeiten kann, werden die Risse im Gefüge immer offensichtlicher. Der ältere Bruder rutscht ins Drogenmilieu, die Schwester trägt nur noch schwarz und isoliert sich völlig von ihrer Umwelt. Und Malik, der geliebte Hund, findet sich in der kleineren Wohnung angeblich nicht mehr zurecht, so dass er weggegeben wird. Der Wochenendausflug, den der Vater mit der jüngsten Tochter macht, wird zur Zäsur. Als Flucht vor der Realität geplant, wird der Vater zum Retter einer Touristenfamilie, die im Feuer eingeschlossen ist. - Schon die Gestaltung des Buches ist etwas Besonderes: Die Kapitel sind abwechselnd mit römischen und arabischen Ziffern nummeriert, und ebenso abwechselnd auf blauem bzw. weißem Papier gedruckt. Im Stil einer Graphic Novel sind einige Szenen dargestellt, wobei ausschließlich die Farben Weiß, Schwarz und Blau verwendet werden. In den Kapiteln mit den römischen Zahlen wird das Zerbrechen der Familie erzählt, in den anderen schildert die Ich-Erzählerin das "Abenteuer", als ihr Vater sie zu einem Ausflug mit unbekanntem Ziel mitnimmt und sich in den "Mann aus Eis" verwandelt. Als Leserin wird man das dumpfe Gefühl nicht los, dass der Vater seinen Suizid plant, dann aber mit der Rettung der fremden Familie auch sich selbst rettet. Wie weh es tut, wenn sich die Eltern nicht mehr lieben und alle darunter leiden, drückt die Autorin in mächtigen Sprachbildern aus, indem sie das geologische Phänomen der Plattentektonik mit all ihren Auswirkungen (z.B. Vulkanausbrüche und Erdbeben) nutzt. Wenn so viele Gefühle und Entwicklungen gleichsam durch ein symbolisches Kaleidoskop erscheinen, berühren und verstören sie umso stärker. - Für Büchereien ab mittleren Beständen, die ihren Leserinnen und Lesern gerne Außergewöhnliches anbieten.