Der Duft von Bittermandel

Wer bereit ist, sich mit den historischen Ereignissen in Europa in der ersten Hälfte des 16. Jh. auseinanderzusetzen, kommt bei diesem Roman voll auf seine Kosten. Dabei werden vor allem die Geschehnisse am französischen Hof unter Franz I. dargestellt Der Duft von Bittermandel aus der Sicht des Oberküchenmeisters Bertrand de Baladoux und der vom Glück wenig begünstigten Königin Claude. Verwundert wird der Leser gleich zu Beginn mit dem Geständnis des Küchenmeisters konfrontiert, den König und dessen Kanzler und Kardinal Duprat vergiftet zu haben. Es scheint zunächst unverständlich, wie ein eigentlich sehr sanftmütiger und eher ängstlicher Mann zu einer solchen Tat fähig sein kann. Doch nach und nach erklären die Geschehnisse am Hof, das politische Ränkespiel, die Arroganz des Königs, das trostlose Leben der Königin und die Kaltblütigkeit des Kanzlers die Gründe für die verbrecherische Handlung Baladoux', den lediglich mit dem Hofnarren Paltoquet eine innige Freundschaft verbindet. Dessen Hinrichtung ist letztlich der auslösende Anlass für den Giftanschlag des Kochs. - Dagmar Fohl versteht es geschickt, nüchterne und sehr gut recherchierte historische Fakten in einen spannenden Roman einzubauen. Sie scheut sich nicht, äußerst realistisch und eindrucksvoll menschliche Gefühle wie Hass, Eifersucht, Boshaftigkeit und Rachsucht darzustellen oder die derben Späße des Hofnarren. Doch gelingt es ihr auch, sehr gefühlvoll auf die unerwiderte Liebe und die Verletzlichkeit der Königin einzugehen. Das Werk zeigt eindrucksvoll und anschaulich Europa im Zeitalter der Renaissance und ist für anspruchsvolle Leser sehr zu empfehlen.

Edith Schipper

Edith Schipper

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Der Duft von Bittermandel

Der Duft von Bittermandel

Dagmar Fohl
Gmeiner (2011)

Gmeiner Original
374 S.
kt.

MedienNr.: 568707
ISBN 978-3-8392-1140-3
9783839211403
ca. 12,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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