Rabenliebe

In den Erinnerungen an seine Kindheit sieht der Autor und Icherzähler in dieser Autobiografie weißen, kalten Schnee. Das Gefühl von Kälte und Einsamkeit transportiert diese Metapher, und das ist es, was den kleinen Jungen tief in seiner Seele traumatisierte. Je mehr er von seiner wahren Geschichte erfährt, desto schwerer wiegt das Gefühl nicht gewollt zu sein; denn seine Eltern haben ihn und seine Schwester bei ihrer Flucht aus der damaligen DDR in den Westen einfach zurückgelassen. Höhepunkt und Ende findet der Schmerz bei dem Besuch bei seiner leiblichen Mutter nach dem Fall der Mauer. Die Kälte des Schnees strahlt aus deren Seele, die sich keinerlei Schuld gegenüber ihren Kindern bewusst ist. Auch die äußerlich fürsorglichen Adoptivseltern, die den Jungen aus dem Waisenhaus holen, können die damals noch diffuse Sehnsucht nach Mutterliebe nicht stillen. Der Junge reagiert mit Hass und Verachtung und bleibt ein Suchender. Wortgewaltig beschreibt der Autor seine Befindlichkeiten, den seelischen Schmerz und die vergeblichen kindlichen Versuche nach Erfüllung seiner Sehnsucht. Bei allem Respekt für das Trauma des Kindes und vor der expressiven Wucht der Sprache frage ich mich, wer diese (in großen Teilen weinerliche) Nabelschau, mehr als zehn Stunden hören soll? Zur Aufarbeitung seiner Kindheit hat dieser Roman dem Autor geholfen, aber wen denkt sich der Verlag als Zuhörer bzw. Leser? Der Roman zeigt, wie wichtig menschliche Bindung und Entfaltungsmöglichkeiten für ein Kind sind. Ich wage zu behaupten, dass jeder, der dieses Hörbuch in seinen CD-Spieler legt, über die katastrophalen Folgen von seelischer Vernachlässigung weiß. Und diejenigen, denen diese Folgen nicht wirklich klar sind, die werden sich diese CD kaum anhören. Auch wenn der Autor mit wichtigen Preisen geehrt wurde fürchte ich, diese CD wird nur wenig Liebhaber in der Ausleihe finden.