Wenn du jetzt bei mir wärst

Die Autorin und Jüdin Lewin besucht das Haus in der Amsterdamer Prinsengracht, in dem Anne Frank und ihre Familie versteckt gelebt haben. Sie erweckt die Jugendliche in die heutige Zeit, es beginnt eine aufregende Reise. Das Mädchen, das seit 70 Jahren tot ist, wird in der Welt mit allen technischen und gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert, z.B. Handy und Internet, Demokratie und ihren negativen Begleiterscheinungen. Juden leben wieder mehr oder weniger selbstverständlich in Deutschland, aber Antisemitismus und rechtes Gedankengut sind teilweise durch Meinungsfreiheit geschützt. Anne verliebt sich in einer Disco in einen jungen Mann, den sie später wieder in Israel trifft. Ernsthaft und mit großem Eigen-Sinn fordert sie ihre Begleiterin heraus, die so manches Mal an der Richtigkeit ihres Schrittes zweifelt. Doch für die Zuhörer(in) entsteht so eine höchst interessante Geschichtsstunde, in der so manches unbekannte Nachkriegskapitel erzählt wird. Wusste die Weltgemeinschaft doch auch nach Ende des Nazi-Regimes noch lange nicht, wie sie mit den Überlebenden umgehen sollte, so dass groteske Situationen entstanden und die Juden weiter Pogrome und Internierung erleben mussten. Aber auch der Staat Israel wird gegründet, wohin Anne eine Reise wagt. Hier erlebt sie weitere Facetten wie den Stolz der Israelis ebenso wie den Konflikt mit den Palästinensern, der in blutigen Attentaten Opfer kostet. - Den literarischen Kunstgriff, eine Figur in eine andere Zeit zu stellen, hat die Autorin höchst interessant gestaltet. "Anne" ist kein braves Mädchen, das sich von der heutigen Zeit erschrecken lässt, sondern eine reife junge Frau, die jede Erfahrung kosten will und Selbstverständlichkeiten hinterfragt, so dass die zeitgenössische Begleiterin ins Grübeln kommt. - Die Sprecherin Ulla Wagener wird allen Figuren gerecht und füllt sie mit Leben. Für interessierte Jugendliche in etwas größeren Beständen hervorragend geeignet.