Das Romanverbot ist nur zu begrüßen

Was passiert, wenn ein Autor die eigenen Romane liest, die er noch schreiben wird, und sich dann gegen das Romanschreiben entscheidet? Das ist die Versuchsanordnung in dem Buch des japanischen Schriftstellers, Schauspielers und Musikers Seiko Ito, Das Romanverbot ist nur zu begrüßen das seinem Titel damit vollauf gerecht wird: "So einen seltsamen Roman haben Sie noch nie gelesen, glauben Sie mir". Der 75-jährige Isolationshäftling, den Ito hier als sein alter ego ins Jahr 2036 verpflanzt, gibt an, dass er aus freien Stücken einen hymnischen Essay über das kürzlich von der Besatzungsmacht erlassene Romanverbot aufschreibt. Davon zeugen die Fesseln, die sich der Häftling beim Schreiben seines Buches selbst anlegt, voran die Verbannung der Schriftzeichen für "Japan" und "japanisch" sowie der Verzicht auf englische Lehnwörter wie "Computer" oder "Internet". Unter der Hand entsteht dann aber doch, wie kaum anders zu erwarten, eine kleine Romantheorie, die den freien Geist der Erzählung beschwört und seinen europäischen Ahnen (Kafka und Beckett) Tribut zollt. In Ketten tanzen ist die höchste Kunst, hat Nietzsche gesagt, und dieses Buch, das behauptet, ein dystopischer Essay zu sein, aber in Wirklichkeit ein subtil enthüllender Zukunftsroman ist, erzählt mit seinen Selbsteinschränkungen ganz subtil von der Freiheit der Kunst. - Die deutsche Übersetzung (von Jürgen Stalph, mit einem instruktiven Nachwort) muss ein Kraftakt gewesen sein, sie lässt für die nicht der japanischen Ideographie kundige Leserschaft ahnen, wie viel Energie und Erfindungsgeist der Autor in seinen Text gesteckt hat. Keine leichte, aber lohnende Lesekost.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Das Romanverbot ist nur zu begrüßen

Das Romanverbot ist nur zu begrüßen

Seiko Ito ; aus dem Japanischen übersetzt von Jürgen Stalph
cass (2021)

155 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 603767
ISBN 978-3-944751-26-9
9783944751269
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
Diesen Titel bei der ekz kaufen.