Krumholz

Das Kind, das in einer frostigen Mainacht auf einem Hof im Schweizer Mittelland zur Welt kommt, überlebt entgegen jeder Erwartung und im Gegensatz zur Mutter die Geburt. Nachdem ein paar Jahre später weiteres Unglück über den Hof kommt, landet das rothaarige Mädchen, "ein Taubstümmchen, ein Viersinniges bloß", in der Armen- & Idiotenanstalt St. Ottilien, wo es unter andauernder Geringschätzung und Misshandlung bockig wird. Erst mit 16 erfährt es von einer freundlichen Lehrerin seinen Namen: Agatha. Bald darauf verlässt Aga das Heim und verdient ihren Lebensunterhalt in einer Seidenfabrik. Sie wächst zu einer schönen Frau heran, von den anderen Arbeiterinnen gemocht und mit dem Traum, eines Tages Weißnäherin zu werden. Dann ist da Zenz, ein 23-jähriger Landstreicher. Auch seine Kindheit war von Armut geprägt, er wurde verdingt. Als Erwachsener fühlt er sich nirgends richtig zugehörig. Mit seinen geschickten Fingern führt er Zaubertricks auf und dreht Blumen aus Papier. Die schönste Zeit seines Lebens war in Paris, wo er einem Künstler als Model und Liebhaber diente. Doch nun sitzt er im Centralgefängnis und wartet auf seinen Prozess. - Inspiriert von einem realen Vorfall von 1914 stellt Flavio Steimann die Lebensgeschichten zweier junger Menschen einander gegenüber, deren Wege sich auf fatale Weise im Krumholz kreuzten. Seine literarische Prosa mit viel indirekter Rede und veralteten Begriffen erfordert einiges an Konzentration, aber evoziert eine längst vergangene, bäuerlich geprägte Zeit, zu der es noch Wasenmeister und Salpeterstecher gab und Verbrecher per Fesselballon gesucht wurden.