Rapport W

Im Herbst 1940 ließ sich der Pole Witold Pilecki inhaftieren, um ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert zu werden. Er sah es als seine patriotische Pflicht an, dort Widerstandsgruppen zu organisieren, einen Aufstand vorzubereiten und darüber hinaus seine Mithäftlinge mit Kleidung und Lebensmitteln zu versorgen. Nach seiner Flucht 1943 verfasste er den "Rapport W", der später in die "Auschwitz-Protokolle" einfloss. Mit Jan Karski gehörte Pilecki zu den ersten Augenzeugen der Shoa; ihre Berichte lagen den Alliierten schon lange vor Kriegsende vor. Wie kann diese unglaubliche Geschichte literarisch und künstlerisch gefasst werden? Die Wahl auf das Medium "Graphic Novel" ist klug, nicht zuletzt, weil dies auch ein jüngeres Publikum ansprechen wird. Der Zeichner nähert sich dem Ort Auschwitz als Landschaftsmaler. Zu sehen sind weich gezeichnete, in schönen Pastellfarben gehaltene Naturaufnahmen; auch die Porträts und Stillleben zeugen von einer ruhigen, gefassten Aufmerksamkeit. Wie Erinnerungsbilder tauchen sie auf, als würde vor einer drastischen Darstellung des Grauens zurückgeschreckt. Hier ist eine Problematik ersichtlich, die auch zeitgenössische Künstler wie etwa Gerhard Richter thematisieren: es scheint ausgeschlossen zu sein, das Monströse dieses Verbrechens und dessen authentisches Erleben abzubilden. Das informative Nachwort der französischen Historikerin, die dieses Buch initiierte, ist dank seiner Aufarbeitung des Komplexes sehr lesenswert. Der gewaltsame Tod Pileckis, von dem man hier erfährt, wird die Leser/-innen erschüttern. Zwar spielt Pileckis Schicksal in der heutigen Erinnerungskultur in Polen eine wichtige Rolle, aber der Hinweis auf die akuten geschichtsrevisionistischen Bestrebungen der polnischen Regierung ist bedenkenswert. Diese Graphic Novel wird die Aufmerksamkeit auf die Formen des Gedenkens wachhalten.