Unwert - der Weg des Kirschmädchens

Die 13-jährige Käthe Klepper lebt als Hilfskraft auf dem Bauernhof ihrer Familie im Rheingau, während ihr Vater wegen Trunksucht in einer Pflegeanstalt ist. Als ihr Onkel zur Wehrmacht eingezogen wird, schickt der Vater der Bäuerin Elsa seinen Knecht Zores als Erntehelfer. Der Knecht vergeht sich an dem Mädchen. Die Bäuerin will die Vorfälle anzeigen. Doch statt eines Verfahrens gegen Zores wird eines gegen Käthe eröffnet, weil sie angeblich geistesschwach ist und deswegen nach dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses sterilisiert werden soll. Tatsächlich fehlt ihr nur viel Schulwissen, weil sie den Unterricht nur bis zur dritten Klasse besuchen durfte. Ein übereifrigerer Amtsarzt treibt das Verfahren voran; doch der Operateur hat grundsätzlich Zweifel am geforderten Vorgehen. Er verschafft Käthe, die schwanger ist, eine Chance sich zu verstecken, und riskiert dabei viel. Zeitgleich müssen auch seine Schwester und ihr Mann als politisch Verfolgte untertauchen. Ganz knapp entgehen alle Beteiligten den ihnen nachspürenden Braunhemden. - Die Autorin hat belegte Sterilisationen im hessischen Raum zu einer typischen Konstellation verengt. Langsam kommt im Buch nämlich zutage, dass Habgier das treibende Motiv für einen der Dorfbewohner ist, die Familie Klepper um ihren Hof zu bringen, und dazu nutzt er jedes Mittel. Alinaghi beschreibt sehr schön, wie das schüchterne Mädchen - und auch andere harmlose Dorfbewohner - den ideologischen Machenschaften nicht gewachsen sind. In der Figur des Dr. Karges hat sie einen Prototyp des dem ärztlichen Ethos verpflichteten Mediziners entworfen. Allerdings ist der Schluss einen Hauch zu romantisch geraten, hält man sich die vielen ähnlich gelagerten Fälle vor Augen. Andererseits kann das vielleicht mehr Leser/innen dazu motivieren, zu diesem Buch zu greifen.