Kraft
Der renommierte Rhetorikprofessor Richard Kraft ist von seinem alten Freund nach Kalifornien eingeladen worden, um - in Anlehnung an die Leibnizsche Theodizeefrage - zu der wissenschaftlichen Preisfrage "Warum ist alles, was ist, gut und kann dennoch verbessert werden?" Stellung zu nehmen. Die 1 Million Dollar, die von einem amerikanischen Internet-Mogul als Preis für die beste Antwort ausgesetzt sind, bräuchte Kraft dringend um das "misslungene Experiment seiner Ehe" zu beenden. Während er sich an die Stanford-Universität begibt, nebenbei die enttäuschende Begegnung mit einer früheren Liebe verkraften muss, reflektiert er alternierend über sein Leben, insbesondere über das permanente Scheitern seiner Beziehungen und über die von ihm geforderte Aufgabe. Es ist mehr als ersichtlich, dass von dem Aufgabensteller eine opportunistische, nämlich ganz und gar zukunftsoptimistische, technikaffine Antwort erwartet wird, die mit der Auffassung Krafts nicht in Einklang zu bringen wäre. - Der im Grunde mit ernsten philosophischen und gesellschaftspolitischen Problemen operierende und krisenhafte Lebenssituationen schildernde Roman nimmt seinem Gegenstand einen großen Teil seiner Schwere, einerseits durch seine subtile Komik und seinen schwarzen Humor, andererseits auch durch seine altmeisterliche auktoriale Erzählhaltung, wenn sich der Erzähler - im Einklang mit dem Leser - über seinen Protagonisten lustig macht. Gesagt werden muss aber auch, dass die Lektüre wegen oft Thomas-Mannscher Satzartistik nicht immer leicht von der Hand geht, jedenfalls volle Konzentration verlangt.
Helmer Passon
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Kraft
Jonas Lüscher
Beck (2017)
235 S.
fest geb.