Frühling der Barbaren
Preising, ein Schweizer Firmeninhaber mit wenig unternehmerischem Flair, wird von seinem deutlich entscheidungsfreudigeren Geschäftsführer in die tunesische Wüste geschickt. Dort trifft er in einem luxuriösen Resort auf eine Hochzeitsgesellschaft aus England. Während der Feierlichkeiten bricht das kriselnde Bankensystem in England zusammen, das Pfund wird wertlos. Die Gäste und das Brautpaar sind auf einen Schlag praktisch mittellos und nicht mehr in der Lage, für die Dienste des Resorts zu bezahlen, das prompt die Leistungen einstellt. Sehr schnell beginnt unter den Betroffenen die dünne Fassade der Zivilisation zu bröckeln. Nur Preising, Dank starker Währung unangetastet kreditwürdig, wohnt dem Geschehen beinahe unbeteiligt bei. - In Form einer Novelle lässt Jonas Lüscher Preising die unerhörten Ereignisse in Tunesien einem Bekannten bei einem Spaziergang durch den Park eines Sanatoriums schildern. In einer erlesenen Sprache, mit Worten, "die außer Preising keiner nutzt", verstärkt der Autor die Distanz des Erzählers zu den Ereignissen und verdeutlich damit Preisings psychische Störung. Was genau die Moral der Geschichte ist, überlässt Lüscher dem Leser seines anregenden und formal abwechslungsreichen Debüts. (Nominiert für den Deutschen Buchpreis)
Barbara Sckell
rezensiert für den Borromäusverein.
Frühling der Barbaren
Jonas Lüscher
Beck (2013)
125 S.
fest geb.