In unserer Nähe wohnt ein Mädchen

"Du und ich" – das sind die unsichtbaren Protagonisten des Buches, sie sind die "Prinzessinnen", die "It-Girls", die Norm, die, denen es gut geht, die, die in einer behüteten Welt leben. Aus dieser Welt heraus beobachtet diese "Wir"-Einheit ein Mädchen: es ist nicht so hübsch, nicht so wohlhabend, namenlos, stumm, unsichtbar und irgendwann nicht mehr da. Sie darf ab und zu bei einem Spiel mitmachen, wird aber nie eingeladen und gehört ausdrücklich nicht dazu. Als sie nach den Sommerferien nicht mehr da ist, entdeckt man Zeichnungen in ihrem Spind, die sehr besonders sind – erst jetzt bereut man, dass man nicht mit ihr gesprochen hat und nicht versucht hat, sie kennenzulernen, sondern sich an Vorurteilen und Äußerlichkeiten orientiert hat. Erst am Ende kommt die Einsicht, dass sie ein Mädchen war "wie du und ich". Das Mädchen selbst kommt nicht zu Wort; es erscheint ab und zu in den Illustrationen und könnte ein Flüchtling aus einem muslimischen Kontext sein – doch das wird nur sehr verhalten angedeutet, klischeehafte Zuschreibungen werden vermieden. Die kindlichen Mainstream-Kommentare zu dem Mädchen sind brutal und entlarvend, sie zeigen das volle Ausmaß der Ausgrenzung, die das "fremde" Kind erfährt und den völligen Mangel an Bereitschaft, sich das Fremde vertraut zu machen. Eine verhaltene, aber sehr eindrucksvolle, fast erschütternde Geschichte, die sich nicht leicht erschließt und die der Vermittlung bedarf. - Für Kinder ab 5 Jahren bis ins Grundschulalter nachdrücklich empfohlen.