Verteidigung der Missionarsstellung

Beim Liebesroman kann man sich schnell vertun: zu traurig wird es, wenn sich die Liebenden am Ende nicht kriegen oder nicht mehr lieben, kitschverdächtig erscheint das Happy End. Für Wolf Haas gilt vor allem das Langeweileverbot. Dem bekannten Autor der Brenner-Krimis und des bizarren Romans "Das Wetter vor 15 Jahren" (2006) kommt es auf die Liebe zur Sprache an. Er schickt seinen schlappen Helden mit dem starken Namen Benjamin Lee Baumgartner - den gleichen Vornamen hat auch der berühmte Sprachforscher Whorf, der sagt, dass das Denken von der Sprache geformt ist - auf eine Liebesodyssee, die es in sich hat. Wenn sich Ben verliebt, wird ihm der Kopf verdreht, leidet er an Gehirnerweichung, wird er angesteckt. Und das im wörtlichen Sinne: Er verliebt sich stets dort, wo gerade eine Seuche ausbricht, 1988 ist es in England der Rinderwahnsinn, später in Peking die Vogelgrippe, dann in New Mexico die Schweinegrippe (als deren erstes registriertes Opfer er gilt) und schließlich auch noch in Deutschland das Ehec-Virus. Die zweite Hauptperson des Romans ist ein Autor namens - wen wundert's? - Herr Haas, der an einem Roman über seinen Freund Benjamin schreibt; das Manuskript wird ihm einmal von Bens Frau um die Ohren geschlagen. Ähnlich ergeht es dem Text, an dem der "Autor" (im Roman und außerhalb) kein gutes Haar lässt. Und das zur Freude des Lesers. Es ist ein Heidenspaß, wenn man die Buchstaben tanzen, die Typografie ins Schleudern kommen sieht. So wird das Querlesen in Form einer diagonalen Zeile abgebildet, die "dichteste Stelle" des Romans muss man mit der Lupe lesen, eine Passage über eine Fahrstuhlfahrt fällt die Seite hinab, es gibt Leerseiten und chinesische Schriftzeichen. Die Liebe zur Sprache kennt keine Grenzen, weil sie so natürlich ist wie, vergleichsweise, die "Missionarsstellung". Eine heitere Lektüre, gut für alle Bestände.