Hermann Hesse

Heimo Schwilks Hesse-Biographie nimmt es auch im Umfang mit der Vielfalt eines Werks von fast 40 Titeln und rund 35.000 Briefen (die erst zu einem Siebtel publiziert sind) auf. Schwilk entscheidet sich, wie auch Hesses anderer Biograph des Jahres, Gunnar Decker, für eine Doppelformel: "Dichten und Dienen". Der Eigensinn des Schreibens als "erinnerndes Nachschöpfen" und der Dienst am Geist, an einer höheren Einheit, in der die Widersprüche des Daseins versöhnt werden können, kennzeichnen für Schwilk das Leben des 1877 in Calw geborenen und 1962 in Montagnola gestorbenen Nobelpreisträgers. Hesse tritt bei Schwilk als Autor in Erscheinung, der mit seinen Werken den Nerv der Zeit trifft, ohne sich "aktuellen Wirklichkeiten" anpassen zu wollen, als Autor, der manche Lebenswidersprüche in Kauf nahm: der Verfasser von Kriegsgedichten 1914 etwa, der aber 1933 "weder Soldaten noch Weltverbesserer" mehr schätzte; der Idylliker in seinem Garten, der sich als Missionar des europäischen Erbes versteht; der Jugendliche, der einen Brief an seine Eltern mit "Achtungsvoll H. Hesse Nihilist" unterzeichnet, und der gereifte Autor, der sich einen "dionysischen Buddhismus" vorstellt. Schwilk versteht es, detailkundig, einfühlsam und anregend Hesses wichtigste Werke vorzustellen, in denen er sich selbst porträtierte ("Peter Camenzind", "Unterm Rad", "Der Steppenwolf", "Der Glasperlenspieler"). Er schont den Autor nicht, kommentiert Hesses schlechtes Gewissen und Selbstmitleid. Auch die schwierige Situation von Hesses Frauen, voran die dritte Ehefrau Ninon Dolbin, mit der er zeitweise nur über Hausbriefe kommunizierte, wird gebührend einbezogen. Eine faszinierend erzählte, entdeckungsreiche Biographie über einen Autor, der uns viel zu sagen hat. Allen Beständen empfohlen.