Real life

Brandon Taylors erster Roman, der für den Booker Prize nominiert wurde, erzählt eine Geschichte vom Anderssein in der weißen westlichen Überkultur. Wallace promoviert in Biochemie an einer Universität im mittleren Westen der USA, und schon in Real life der Eingangsszene, als er sich zur Mehrheit der weißen Freunde am See gesellt, wird klar, dass die Geschichte, die sich für ihn "dunkel, kalt und weit entfernt" anfühlt, mit seiner schwarzer Hautfarbe und seiner Homosexualität zu tun hat. Auslöser sind der Tod seines Vaters, eine sabotageverdächtige Kontamination seiner Laborproben und eine Affäre mit Miller. Es brechen traumatische Kindheitserfahrungen auf. Wallaces Muttersprache war die Gewalt, er hasst sein Leben manchmal, will es aber auch als "real life" auskosten. Von diesem unterdrückten Verlangen erzählt Taylor ganz ohne Predigerton. Wallace ist kein Rebell, seine Freunde sind keine Rassisten, aber das ganze junge akademische Milieu, in dem der Roman spielt, ist getaucht in die Atmosphäre von Cancel Culture, Trigger-Warnungen, Diskriminierungsängsten. Wallace ist ein queerer Held, aber auch Projektionsopfer der anderen: An ihm lassen sie Liebe, Zorn, Mitleid und Frust aus. Ein schonungslos, aber nicht hoffnungslos erzählter Roman von großer sprachlicher Dichte, auch in der deutschen Übersetzung von Eva Bonné.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Real life

Real life

Brandon Taylor ; aus dem amerikanischen Englisch von Eva Bonné
Piper (2021)

346 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 972872
ISBN 978-3-492-05958-9
9783492059589
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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